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Robin Hood - König der Diebe

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Teil 12 – Sherwood Forest

Robin hielt sich an Sayeed fest, die das Pferd gnadenlos antrieb, und dachte angestrengt nach, wo sie noch Zuflucht finden könnten. Hier im Tal sicherlich nirgends. Und der Weg in die Berge war zu steil und zu felsig für die Pferde. Direkt vor ihnen aber lag nur das Moor, Meile um Meile. Er zermarterte sich das Gehirn um einen Ausweg aus der Falle, die er sich selbst gestellt hatte. Es dauerte nicht lange, bis er zu der Einsicht kam, dass sie im Augenblick nur auf ihr Entkommen setzen konnten.

Vor ihnen tauchte ein schmaler Flusslauf auf. Er klammerte sich an Sayeed, als das Pferd durch die schäumende Flut trabte, ohne sein Tempo zu vermindern. Ein schneller Blick hinter sich verschaffte ihm die beruhigende Gewissheit, dass Aseem und Duncan das Tempo mithielten. Duncan hielt Aseem fest umklammert, so wie er Sayeed. Fast musste Robin lächeln. Da hatte er doch das bessere Los gezogen.

Doch der Anblick erinnerte ihn auch daran, dass ihre Pferde jeweils zwei Reiter trugen und mit diesem doppelten Gewicht auf Dauer nicht lange durchhalten konnten. Vorerst aber galoppierten sie noch mit donnernden Hufen.

Robin versuchte, sich zu orientieren. Wenn sie wirklich waren, wo er glaubte, dann bestand noch eine Chance. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Es war zwar nicht der Ausweg, den er sich ausgesucht hätte, doch im Sturm war jeder Hafen willkommen... Er tippte Sayeed auf die Schulter zum Zeichen, das Pferd zum Stehen zu bringen. Aseem hielt ebenfalls an.

Haben wir sie abgehängt?“ fragte Robin atemlos.

Aseem setzte sein Fernrohr wieder ans Auge und blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Keine halbe Meile hinter ihnen ließ Gisborne seine Leute ausschwärmen, um sie einzukesseln. Aseem nahm sein Fernrohr herunter. Er blickte Robin ernst an. „Sie kommen näher. Und unsere Pferde tragen doppelte Last. Abschütteln können wir sie nicht mehr.“

Sayeed bedeutete ihnen, sie würde sich von ihnen trennen und allein versuchen zu entkommen. Und Duncan, der nach dem anstrengenden Ritt nach Atem rang, sagte: „Lasst mich zurück, Master Robin. Ich halte Euch nur auf.“

Robin ignorierte Sayeed ebenso wie Duncan und deutete auf den Wald, der fast den ganzen Horizont einnahm. „Eine Chance haben wir noch. Dort im Wald können wir sie abschütteln.“

Sayeed und Aseem blickten in die angegebene Richtung. Als sie ihre Gesichter ihm wieder zuwandten, waren ihre Augen groß. Solch eine Fülle wilden Grüns war selbst nach der langen Reise noch ungewohnt für die Wüstenbewohner. Doch Duncans blindes Gesicht war schreckverzerrt. „Nein, Master Robin!“ flehte er. „Sherwood ist voller Gespenster! Wir verlieren unsere Seelen, selbst wenn wir nur hindurch reiten!“

Das“, sagte Robin achselzuckend, „ist jetzt nicht mehr so wichtig. Entweder riskieren wir es mit den Gespenstern dort, oder wir sind bald selbst welche!“

Sie galoppierten weiter auf den Wald zu, der sich, je näher sie kamen, immer weiter auszudehnen schien. Robin blickte über die Schulter. Gisborne und seine Leuten versuchten, ihnen den Weg abzuschneiden. Er lächelte zufrieden, als er sah, wie sie zögerten. Auch sie hatten Angst vor dem Sherwood Forest.

Sie dagegen näherten sich dem Wald rasch. Krumme, grotesk verwachsene Bäume standen am Waldrand und dahinter begann eine scheinbar undurchdringliche Wand aus Stämmen, Geäst und Unterholz. Robin spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Aber er biss die Zähne zusammen, als ihre Pferde in das allumfassende Zwielicht des Waldes eintauchten.

Gisbornes Leute zügelten ihre Pferde am Rand von Sherwood. Die Tiere bäumten sich auf und wieherten, als einige Reiter versuchten, sie in den Wald zu treiben. Die Männer spähten mit unverhohlener Furcht auf die langen Schatten und die verwachsenen Bäume und murmelten sich furchtsam etwas zu. Gisborne versuchte sie zur Räson zu bringen, aber sie wichen seinen Blicken aus.

Was ist los mit euch, verdammt? Sie sind doch nur zu viert!“

Wir fürchten nicht sie“, murmelte einer der Soldaten von hinten.

Gisborne beschimpfte sie als Narren, Feiglinge und Verräter, doch selbst dies half nichts. Nicht einer war dazu zu bringen, die magische Grenze zu überschreiten und in den Sherwood Forest einzudringen. In seiner Wut brüllte Gisborne die Bäume an.

Robin mit deiner Kapuze: Robin of the Hood! Sohn des Teufelsanbeters!“

Bereits ein Stück tief im Wald legte Robin Sayeed eine Hand auf dem Arm. Sie hielt an, und gemeinsam mit Aseem und Duncan lauschten sie stumm den Rufen.

Dein Vater ist als Feigling gestorben!“ brüllte Gisborne mit wutverzerrtem Gesicht. „Er verfluchte deinen Namen, und er hat gequiekt wie ein abgestochenes Schwein!“

Du dreckiger Lügner!“ rief Robin zornentbrannt. Er war schon vom Pferd geglitten und wollte davonstürmen, doch Sayeed, die ebenfalls hastig abgestiegen war, hielt ihn fest.

Robin wand sich heftig aus Sayeeds Hand, doch da war auch Aseem schon bei ihnen und hielt ihn mit eisernem Griff. „Du wirst keine Gerechtigkeit für deinen Vater üben können, wenn du dich heute nutzlos töten lässt!“ sagte er eindringlich. „Hab Geduld!“

Robin sah ihn lange an. Dann nickte er widerstrebend. Aseem ließ ihn los, und sie ritten schweigend weiter, immer tiefer hinein in den Sherwood Forest.

Niemand wusste, wie alt Sherwood war. Der alte Forst bedeckte unzählige Morgen und beherrschte die Landkarte des Nordens. Zwar waren seine Grenzen bekannt und auf Karten verzeichnet, doch nur wenige hatten jemals sein tiefstes, dunkelstes Innerstes gesehen. Im Sherwood Forest gab es kein Gesetz und keine Moral, und wer sich von den Pfaden entfernte und in die grüne Wildnis begab, wurde selten jemals wiedergesehen. Sherwood Forest, das war der Ort der verlorenen Seelen, die letzte Zuflucht für alle Gesetzlosen. Der Ort, an dem niemand mehr verfolgt wurde.

Robin, Aseem, Sayeed und Duncan kamen unter den riesigen Bäumen nur langsam voran. Die Welt draußen war hinter ihnen zurückgeblieben. Der Forst war majestätisch und atemberaubend, ein Inbegriff von Kraft und Macht. Hundert Fuß hohe Buchen und tausend Jahre alte Eichen bildeten eine grüne Kathedrale über ihnen und schirmten den schmalen Pfad unten wie ernste und schweigsame Wächter ab. Von Menschenfüßen ungestörtes Moos wuchs dick auf dem Boden, und überall war der Geruch des lebendigen Waldes.

Sayeed hatte sich von dem Pferd gleiten lassen und schritt wie in Trance durch das grüne Zwielicht. Robin sah sie manchmal wie einen Schatten durch das Dickicht huschen, dann wieder tauchte sie unvermittelt so dicht neben ihnen auf, dass die Pferde scheuten. Ihre Gegenwart beunruhigte auch Duncan, der sie bis jetzt gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Er wusste auch jetzt nicht, wer oder was dort war, spürte nur die Anwesenheit von etwas, das ihn und die Pferde immer wieder erschreckte. Aseem, mit dessen Gegenwart sich Duncan erstaunlich schnell abgefunden hatte, versuchte ihn aufzuklären und zu beruhigen, aber der alte Mann war völlig in seinem Aberglauben gefangen.

Auch Robin verfiel in eine Art Schwindel, als er versuchte, alles, was er sah und empfand, in sich einzusaugen. Er musste sich zusammennehmen, um wachsam zu bleiben. Vielleicht hausten in diesem dichten Grün Gespenster, vielleicht auch nicht, jedenfalls lauerte hier irgendeine unbestimmbare Gefahr. Unwillkürlich musste er daran denken, wie viele Menschen in Sherwood Forest schon spurlos verschwunden waren.

Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch die Bäume. Geisterhaftes Heulen erklang durch den ganzen Wald. Knochen klapperten, und körperlose Stimmen stöhnten und gellten. Duncan zog sich mit zitternden Händen einen Zipfel seines Umhangs über den Mund.

Banshees“, erklärte er mit angstvoll zitternder, gedämpfter Stimme. „Todesfeen. Sie fliegen einem in den Mund und saugen einem alles Blut aus, ehe man auch nur schreien kann.“ Aseem schaute ihn beunruhigt an. Das verächtliche Schnauben, das Sayeed, die gerade neben ihnen ging, von sich gab, ließ ihn genauso wie Duncan erschrocken zusammenzucken.

Der Wind pfiff wieder mit unirdischem Heulen durch die Bäume. Die Pferde blieben schnaubend stehen und verweigerten stampfend und augenrollend den Weg. Aseem zog seinen Krummsäbel und sah sich wild um. Er rief Allah an, ihn vor bösen Geistern zu schützen. Duncan klammerte sich angstschlotternd an ihn. Aseem fuhr hektisch nach allen Seiten herum auf der Suche nach einem Feind, der nicht auszumachen war. Ringsum erstreckte sich nur endloses grünes Dickicht. Robin legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm, aber auch ihm liefen kalte Schauer den Rücken herunter.

Sayeed schaute sie spöttisch lächelnd an und griff ins Geäst des nächsten Busches. Sie zog eine Handvoll hohler, hölzerner Röhrchen heraus und hielt sie Robin hin. Er sah sie erst verständnislos an, dann lächelte auch er. Sayeed deutete mit einer ausholenden Geste in die Bäume. Robin grinste jetzt. Er zeigte Aseem, dass diese hohlen Halme und Zweige überall waren und hielt sich einen an den Mund, in den er hinein blies. Ein tiefer, schaudern machender Gespensterton kam heraus, um sofort wieder zu verklingen, als Robin den Halm vom Mund nahm. „Da habt ihr eure Gespenster“, sagte er. „Das ist das ganze Geheimnis.“ Er warf die Halme fort und deutete um sich. „Der Wind macht es. Kinderspielzeug. Nicht zu übersehen, wenn man die Augen aufmacht und nach natürlichen Erklärungen sucht.“ Er schnitt eine Grimasse in Aseems Richtung. „Du lässt dich leicht erschrecken, mein heidnischer Freund.“

Aseem schnaubte verlegen, aber nicht weiter verletzt, und steckte seinen Säbel wieder ein. „Das bestätigt mir nur, was ich schon wusste. Dieser Wald hier hat Augen. Ich kann sie spüren.“

Robin nickte nachdenklich und spornte sein Pferd an. Sayeed war schon wieder verschwunden. Langsam ritt er den schmalen Pfad entlang, der sich zwischen den Bäumen abzeichnete. Aseem schüttelte kurz den Kopf, dann folgte er Robin.


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