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Teil 15 -Bei den Geächteten Die Nacht war schon hereingebrochen, als sie das Lager der Waldmänner erreichten. Es bestand hauptsächlich aus einigen entwurzelten und lose zusammengestellten Baumstämmen, die da und dort mit Reisig, Tüchern oder ungegerbten Häuten überdacht waren. In der Mitte knisterte ein großes Lagerfeuer, um das sich jetzt die Waldmänner versammelten. Krüge machten die Runde und sie enthielten garantiert kein Wasser. Der frisch umgetaufte Little John begann die Waldmänner einen nach dem anderen vorzustellen, doch Robin verlor bald die Übersicht über die vielen Namen, die ihm nichts sagten, über die Spitznamen und die Geschichte eines jeden. Nur eins schien allen in ihrer Vergangenheit gemeinsam zu sein: schlechte Behandlung und noch schlimmeres Unglück. Keiner von ihnen war freiwillig in den Sherwood Forest gekommen. Alle hatte die Verzweiflung hergetrieben, wo sie in der Gemeinschaft der anderen Geächteten eine Art von Bruderschaft und Beistand gefunden hatten. Und sie akzeptierten die Anwesenheit von Robin, Duncan und Aseem, als sei es das Normalste auf der Welt, dass wieder drei Menschen hier Zuflucht suchten. Niemand von ihnen schien bemerkt zu haben, dass Sayeed nicht mehr bei ihnen war. Verstohlen hatte Robin auf dem Weg ins Lager Aseem nach ihrem Verbleiben gefragt, aber von ihm nur die ausweichende Antwort bekommen, er solle sich nicht beunruhigen. Das bewirkte allerdings gerade das Gegenteil. Was war nur wieder in sie gefahren, dass sie so einfach verschwand, fragte er sich bestimmt zum hundertsten Mal. Als wenn sie nicht schon genug Schwierigkeiten hätten. Robin seufzte und grübelte immer wieder darüber nach, welche Geschichte er den Geächteten auftischen konnte, wenn sich doch einer von ihnen an Sayeed erinnerte oder sie wieder auftauchte. Aseem widmeten die Waldleute indessen wegen dessen dunkler Haut eine Aufmerksamkeit, die jedem anderen Unbehagen bereitet hätte. Doch ihn schien es nicht zu kümmern. Sein Gesicht zeigte mit keiner Regung, was er wirklich dachte. Für die meisten dieser Männer war der Orient nur ein Land der Phantasie und der Legenden, und Araber waren für sie so unwirklich wie Geister und Dämonen. Nachdem sie aber erst einmal erfahren hatte, dass auch er auf der Flucht vor dem Gesetz war, nahmen sie ihn in ihrer Mitte auf. Mehr oder minder jedenfalls, denn sie hielten doch vorsichtig Abstand zu ihm. Nur einer wollte die Neuen nicht akzeptieren. Der junge Mann, den John als Will Scarlett vorgestellt hatte, brütete, an einen Stamm gelehnt, finster vor sich hin, spielte mit seinem Messer und beteiligte sich nicht an den Festlichkeiten. Robin beschloss bei sich, dass sie gut daran taten, diesen Burschen im Auge zu behalten. John Little bombardierte ihn immer noch mit Namen. Er nickte einfach zu allem, als höre er die ganze Zeit aufmerksam zu. „Und schließlich“, sagte Little John, „ist da noch dieser Kleine hier. Er heißt David von Doncester, aber hier nennen ihn alle nur Bull.“ Robin nickte Bull zu, der fröhlich zurückzwinkerte. Er war ein kleiner Mann, kaum fünf Fuß groß, aber mit breiten, muskulösen Schultern und einem mächtigen Brustkasten, der ihn aussehen ließ, als sei er genauso breit wie hoch. „Wieso nennen sie Euch Bull?“ fragte er höflich. „Weil Ihr so klein seid?“ „Nay“, sagte Bull stolz. „Weil ich ihn so groß hab’.“ Eindeutige Handbewegungen unterstützen seine Behauptung. Alle lachten. Er begann an seinem Hosenlatz zu nesteln, um es zu beweisen, doch Robin wehrte heftig mit der Hand ab. „Vielen Dank, Bull, ich glaub’s auch so. Spart’s Euch für die Damen auf.“ Bull richtete seine Hose wieder, rundherum schallte trunkenes Gelächter. Einer der kreisenden Krüge hatte inzwischen auch Robin erreicht. Der schnupperte misstrauisch daran. John bemerkte es. „Met!“ sagte er. „Von mir selbst gebraut. Garantier’ Euch, Ihr habt im Leben nichts Besseres getrunken.“ Robin nahm vorsichtig einen kleinen Probeschluck und überlegte heftig, was er nun tun sollte, es hinunterschlucken oder doch lieber ausspucken, ehe es ihm den Rachen verätzte. Am Ende entschied er sich doch lieber für den diplomatischen Weg und stürzte es mit Todesverachtung hinunter. Er tat, als trinke er einen weiteren Schluck, und reichte den Krug rasch an seinen Nachbarn weiter. Der nahm einen herzhaften Schluck, rülpste noch heftiger dazu und gab den Krug wiederum seinem Nachbarn weiter. Der war allerdings Aseem. Als der Mann sich dessen bewusst wurde, zögerte er, tat dann einfach so, als sehe er den Mauren gar nicht, und wandte sich an den nächsten Mann. Robin ließ beide unter einem scharfen Blick erstarren. „Hat sich die englische Gastfreundschaft in sechs Jahren so verändert, dass ein Freund von mir an dieser Tafel nicht willkommen ist?“ Verlegenes Schweigen machte sich in der ganzen Runde breit. Dann beugte sich der Mann, der Aseem den Krug verweigert hatte, zu Robin hinüber. „Sire, er ist ein Wilder!“ Robin sah ihn an in seinen Lumpen, die vor Schmutz und getrocknetem Dreck starrten, um dann seinen Blick demonstrativ zu dem makellos gekleideten Aseem weiterwandern zu lassen. „Sicher ist er das“, sagte er dann gelassen, während er lächelnd einen Blick mit Aseem tauschte. „Aber nicht mehr als du und ich. Und nenn’ mich nicht Sire.“ Der Mann blickte John Little hilfesuchend an. Doch dieser zuckte nur mit den Achseln. Der Mann wandte sich also mit gezwungenem Lächeln an Aseem und bot ihm den Krug an. Aseem lächelte höflich und lehnte dankend ab. „Tut mir leid, aber ich darf nicht.“ Jetzt funkelte Robin den Mauren tadelnd an. Doch Aseem neigte nur förmlich sein Haupt. „Meine Religion verbietet es mir, an derlei Vergnügungen teilzunehmen.“ Little John schniefte. „Dein persönliches Pech, Freund.“ Er nahm den Krug und reichte ihn Wulf, der zu seinen Füßen hockte. Robin fand, dass es wohl keine schlechte Idee sei, das Thema zu wechseln. „Sag mal, John“, fragte er, „wie kommt es, dass ihr hier so viele seid, die sich verbergen?“ Little John brummte. „Der Sheriff hat uns zu Gesetzlosen erklärt. Hat einen Preis auf unsere Köpfe ausgesetzt. Behauptet, wir schulden ihm Steuern. Aber man kann nichts geben, das man nicht hat. So haben wir eben zwangsläufig gegen ein Gesetz nach dem anderen verstoßen, und darum sind wir hier. Als Geächtete.“ Robin sah sie stirnrunzelnd an. „Aber ihr könnt euch hier nicht ewig verstecken! Eure sogenannten Gespenster halten die Soldaten des Sheriffs höchstens noch eine Weile ab.“ Da erklang hinter ihnen eine Stimme. „Bis jetzt hat es funktioniert“, sagte Will Scarlet herausfordernd. „Habt Ihr eine bessere Idee?“ Robin drehte sich zu ihm um und sah ihn einen Moment lang eindringlich an. Der junge Mann erwiderte den Blick provokativ. Doch Robin reagierte nicht darauf, sondern wandte sich wieder den anderen Geächteten zu, den Blick aber zu Boden gerichtet. „Ihr könntet immer noch kämpfen...“ sagte er wie beiläufig. Gemurmel und Gelächter erhob sich unter den Waldleuten. Aseem sah ihn forschend an, Little John lachte. „Ich muss Euch wohl Euren edlen Kopf zerbeult haben“, sagte er spottend. Er beugte sich zu Robin. „Also“, erklärte er, als spräche er zu einem recht begriffsstutzigen Kind, „das hier sind alles brave Burschen. Aber es sind Bauern! Sie kämpfen zu lassen, hieße, Lämmer zur Schlachtbank zu führen.“ Er schüttelte abschätzig den Kopf. Aus der Runde erklang eine heisere Stimme. „Es heißt, der Sheriff sei von einer Hexe aufgezogen worden“, flüsterte sie, aber so laut, dass alle es hören konnten. Aseem sah den Sprecher an. „Wirklich?“ fragte er besorgt. Sein Aberglaube brach sich wieder Bahn. „Man sagt, sie kann durch Menschen hindurchsehen!“ ergänzte Wulf. Seine Stimme klang aufgeregt und schon leicht trunken vom Met. „Und sie kann fliegen!“ Aseems Blick zeigte allmählich wirklich Beunruhigung. „Das ist nur abergläubisches Gerede, Wulf“, tadelte Little John seinen Sohn. „Was kümmert es den reichen Sohn eines Teufelsanbeters, was mit einem Haufen Geächteter passiert“, mischte sich Will Scarlet mit verächtlicher Stimme wieder ein. Seine Worte entfachten den Widerspruch Duncans, der bisher schweigend neben Robin gesessen hatte. „Mein Herr war ein freundlicher und großzügiger Mann“, rief er in die ungefähre Richtung Scarlets. In seiner Stimme klang ein Abglanz seines früheren hochfahrenden Wesens auf. Robin griff nach seiner Hand. „Und wenn einer von euch behaupten...“ Robins leise besänftigende Worte ließen ihn innehalten. Jetzt wandte sich dieser wieder an Will Scarlet: „Mein Vater war kein Teufelsanbeter“, sagte er bestimmt und sah sich in der Runde um. „Und jeder, der etwas anderes behauptet, muss mir Rede und Antwort stehen!“ Verlegenes Schweigen machte sich breit. Dann sprach Robin leiser, fast entschuldigend weiter. „Aber er hat Recht. Ich war eines reichen Mannes Sohn. Doch als ich die Leute des Sheriffs tötete, wurde ich ein Gesetzloser wie ihr.“ Will Scarlet stieß sich heftig von dem Stamm ab, an dem er gelehnt hatte. „Ihr seid kein bisschen wie wir“, rief er wütend und stürmte davon. Little John nickte Robin begütigend zu. „Beachtet ihn nicht weiter. Unser Will ist ein hitzköpfiger Patron. Große Worte, aber wenig Taten.“ Die anderen lachten, doch Robin blickte dem Jüngling nachdenklich hinterher. Mit ihm würde es noch Schwierigkeiten geben, das war so sicher wie das Amen in der Kirche, dachte er besorgt. Alarmiert beobachtete er, dass Scarlett im Wald verschwand. Wo Sayeed sich irgendwo aufhielt. Aber der Wald war riesig, beruhigte Robin sich selbst, es wäre ein unheimlicher Zufall, wenn die beiden sich begegnen würden. Außerdem konnte Sayeed auf sich selbst aufpassen. Es würde schon nichts passieren. Johns Worte lenkten ihn ab. Der schaute lächelnd in die Runde. „Los, trinkt, Leute, und hört auf, solchen Unsinn zu reden. Das hier dürfte das Beste sein, was wir einfachen Leute erwarten können. Hier sind wir in Sicherheit.“ Er machte eine weite Geste zum Wald hin. „Hier sind wir die Könige!“
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