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Robin Hood - König der Diebe

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Teil 19 – Lügen, nichts als Lügen


Der Bischof hatte sich in seine privaten Gemächer in einem Seitenturm begeben und die Mitra abgenommen. Er stellte sie sorgfältig in den Kasten, in dem sie aufbewahrt wurde. Als er eine Bewegung hinter sich wahrnahm, fuhr er herum. Ein kalter Klumpen Angst bildete sich in seiner Magengegend, als er die Gestalt in dem zerlumpten Kapuzenumhang aus den Schatten treten sah.

Er schluckte schwer und zog sich wie hinter einen Schutzschild hinter seine Amtswürde zurück. „Dies sind meine Privatgemächer, mein Sohn“, erklärte er steif. „Es gibt Priester für dich, die dir die Beichte abnehmen können...“

Der Mann hob die Hände und streifte wortlos seine Kapuze ab. Und der Bischof starrte in ein Gesicht, das er niemals mehr zu sehen geglaubt hatte. Robin von Locksley lächelte ihn an und legte verschwörerisch den Finger an die Lippen.

Der Bischof erwidert das Lächeln, aber es wirkte gezwungen. „Ich sehe den Knaben, den ich kannte, in dem Mann vor mir. Willkommen daheim, Robin!“ Er streckte ihm die Hand entgegen, um sich den Bischofsring küssen zu lassen.

Automatisch beugte sich Robin darüber, aber dann hielt er inne. Der Pelzbesatz des Ärmels zitterte ganz leicht. Kurz blickte Robin in das Gesicht des Bischofs, dann beugte er sich wieder hinunter und küsste den Ring.


Der Sheriff verbeugte sich förmlich vor Marian und bedeutete seinen Begleitern zurückzubleiben, damit sie ungestört miteinander sprechen konnten. Er nahm Marians Hand und führte sie an seine Lippen. Marian lächelte knapp und entzog sie ihm, so rasch es ging. Sie wollte sich eigentlich ein wenig zur Seite begeben, um die Tür, durch welche Robin verschwunden war, zu verdecken, doch sie befürchtete, damit erst recht die Aufmerksamkeit des Sheriffs darauf zu lenken.

Er lächelte sie betont herzlich an, doch seine Augen waren so kalt wie immer. „Lady, Ihr glänzt wie die Sonne selbst.“

Ich danke Euch“, sagte Marian kühl. „Was verschafft mir die Ehre Eurer Aufwartung, mein Lord?“

Ihr seid mit Robin von Locksley zusammengetroffen“, sagte er und lächelte angesichts ihrer unwillkürlichen Reaktion. Aber er sprach in leichtem Ton weiter. „Mein Vetter berichtete mir, er hätte Euch um einige Eurer Pferde erleichtert.“

Oh, ja“, antwortete Marian rasch und bemühte sich um einen Ausdruck gelangweilter Interesselosigkeit. „Eine sehr unerfreuliche Angelegenheit.“

Dafür, dass er Euch so etwas antat“, erklärte der Sheriff, „werde ich ihn an seinen Eingeweiden von den Zinnen meiner Burg baumeln lassen!“

Marian sah ihn ruhig an. „Nichts würde ich lieber sehen, mein Lord.“ Sie wandte sich um und ging, wollte den Sheriff von der Tür fortlocken, hinter der Robin verschwunden war.

Der Sheriff folgte ihr auch tatsächlich. „Meine Teure, wenn Ihr Euch nur entschließen wolltet, Euren Haushalt hinter die schützenden Mauern meiner Stadt zu verlegen, könnte ich mich ganz persönlich aller Eurer Bedürfnisse annehmen“, sagte er schmeichlerisch.

Marian ging weiter und würdigte ihn nur eines kurzen Blickes über die Schulter. Sie waren schon fast an der Tür vorbei. „Ich danke Euch, Lord Nottingham. Aber vorerst gedenke ich noch auf dem Wohnsitz meiner Familie zu bleiben. Aber trotzdem tausend Dank.“

Das Lächeln des Sheriffs blieb unverändert, nur sein Blick wurde plötzlich gefährlich scharf. Er legte ihr seine Hand auf den Arm, so dass Marian stehen bleiben musste. Dann griff er in sein Gewand und zog einen juwelenbesetzten Dolch heraus. „Dann erweist mir, seid so gut, die Ehre und nehmt dies hier als ein Zeichen meiner nie endenden Ergebenheit und Sorge für Eure Sicherheit.“

Der Dolch war ein Kunstwerk und sicher ein kleines Vermögen wert, aber Marian nahm ihn an, als sei er ein Küchenmesser. Die Tür hinter ihnen schien Robins Versteck geradezu herauszuschreien, und der Drang, hinzusehen, ob wirklich alles in Ordnung sei, war fast übermächtig. Doch irgendwie gelang ihr ein höfliches Lächeln für den Sheriff, während sie das Geschenk in ihren Gürtel steckte. „Mein Vetter König Richard wird tief bewegt sein, wenn er von Eurer Sorge um mein Wohlergehen hört.“

Bedauerlicherweise“, sagte der Sheriff, „hat König Richard viele Feinde, in der Fremde wie auch hier. Ich fürchte sehr um seine sichere Rückkehr.“

Seid unbesorgt, lieber Sheriff“, entgegnete Marian auf das Freundlichste, „er wird heimkehren. Und sobald dies geschehen ist, wird er seine treuen Untertanen belohnen.“

Dem Sheriff war die unterschwellige Bedeutung ihrer Worte natürlich nicht entgangen. Er lächelte steif, verbeugte sich noch einmal und schritt an ihr vorbei zur Tür, die zu den privaten Gemächern des Bischofs führte. Die Tür, durch die auch Robin verschwunden war.


Robin hörte dem Bischof aufmerksam zu. Er saß auf der Bank in einer der Fensternischen, das Licht, das durch das bunte Glas des Fensters fiel, warf farbige Reflexe auf sein Gesicht. Der Bischof stand vor ihm, leicht vornüber gebeugt, seine Stimme klang eindringlich. Doch Robins Blick blieb kalt und unnachgiebig, wie sehr der Bischof sich auch bemühte, ihn zu beschwichtigen.

Der Bischof berichtete ihm, so dezent er es vermochte, von der Entehrung und dem Tod des alten Lords Locksley, doch mit zunehmender Dauer des Gesprächs machte ihn Robins Schweigen immer nervöser. Er begann sich unruhig im Raum umzusehen, als hoffe er irgendwo eine Eingebung zu finden. Als es schließlich um das Geständnis von Robins Vater, ein Teufelsanbeter zu sein, ging, brach er entnervt ab. Er wusste nicht mehr weiter.

Wie konntet Ihr so etwas überhaupt von ihm glauben?“ fragte Robin. „Wer, wenn nicht Ihr, wusste, wie ergeben er der Kirche war?“

Der Bischof blickte ihn ernst an. „Ich habe Euren Vater dreimal gefragt, weil mich seine Einlassungen so maßlos aufgeregt hatten. Er sagte, er müsse Gott mit einem reinen Gewissen gegenübertreten, und bekannte alles.“

Ihr lügt“, sagte Robin verächtlich. Der Bischof gab keine Antwort. Robin wandte sich ab, als bereite ihm allein der Anblick des anderen schon Übelkeit. Er ging zur Tür, öffnete sie - und sah sich Auge in Auge mit dem Sheriff von Nottingham, der eben eintreten wollte. Hinter ihm kam Gisborne heran.

Einen Moment lang starrten sie einander nur verblüfft an. Es schien, als halte die ganze Welt den Atem an, kein Laut war zu hören.

Da rief der Bischof angstvoll: „Bei allem, was Euch heilig ist, vergießt kein Blut im Hause Gottes!“, und der Moment war vorüber. Der Sheriff sah kurz in das schwitzende, schuldbewusste und panische Gesicht des Bischofs. Und als er seine Augen wieder auf den Mann in den zerlumpten Kleidern vor sich richtete, musste ihm niemand mehr sagen, um wen es sich handelte.

Er öffnete den Mund, um nach seinen Wächtern zu rufen, doch Robin hatte bereits einen Dolch aus seiner Kutte gezogen und dem Sheriff einen langen Schnitt über die Wange beigebracht. Dieser griff sich an die Wunde, stolperte geschockt zurück und prallte gegen die rückwärtige Wand. Gisborne fing ihn auf, als er zu Boden sank. Robin schlug die Tür hastig wieder zu. Fahrig drehte er sich in dem Raum, auf der Suche nach einem Ausweg, den blutigen Dolch wie zur Abwehr vor sich gestreckt. Der Bischof wich beim Anblick der Waffe furchtsam zurück. Sein Gesicht war kreidebleich, ängstlich drückte er sich in eine Ecke.

Robin sah ihn verächtlich an und hastete durch den Raum. Es gab anscheinend keinen anderen Ausweg aus dem Turmzimmer als die Tür, wollte er sich nicht selbstmörderisch aus einem der Fenster stürzen. Robin hielt inne und blickte wild um sich. Der Sheriff und die Wachen stürmten bereits herein. Sein panisch suchender Blick fand das Seil, an dem der gewaltige Lüster vom höchsten Punkt der Decke hing. Er brauchte nur Augenblicke, bis er es ergriffen und das Seil mit einem einzigen Streich seines Dolches durchtrennt hatte. Der herabsausende Leuchter zwang den Sheriff und die Soldaten beiseite zu springen und zog Robin gleichzeitig am anderen Seilende nach oben. Er schwang sich gewandt auf den Sims der Turmspitze, zerschmetterte die Glasscheiben des Fensters neben ihm und war dabei, nach draußen zu springen, als er den Sheriff wutentbrannt seinen Namen brüllen hörte. Er hielt inne und blickte zurück. Nottingham sah zu ihm herauf. Er war vor Schmerz und Zorn fast außer sich. „Locksley, dafür schneide ich Euch persönlich das Herz aus dem Leib! Mit einem Löffel!“

Robin grinste ihn hämisch an. „Nur zu!“ Er verbeugte sich herausfordernd und warf sich dann aus dem Fenster. In der nächsten Sekunde schwirrten Pfeile an die Mauer, wo er eben noch gestanden hatte. Draußen war es ein Leichtes, an den Verzierungen und Vorsprüngen der Außenmauer bis wenige Meter über dem Boden zu klettern. Das letzte Stück sprang Robin einfach.

Einer der Rossknechte draußen vor der Kathedrale, der das Pferd des Sheriffs hielt, hatte an diesem ziemlich langweiligen Morgen ein plötzliches Erlebnis. Ein zerlumpter Mann erschien wie aus dem Nichts vom Himmel, sprang auf des Sheriffs Pferd und entriss ihm dessen Zügel. Dann jagte er im Galopp davon, während der Rossknecht ihm mit offenem Mund nachstarrte.

Im gleichen Moment stürmte der Sheriff durch das Kirchenportal. Auf den Stufen blieb er stehen und rief atemlos: „Schließt das Tor!“

Robin jagte auf das Stadttor zu und ritt alles nieder, was sich ihm in den Weg stellte. Er galoppierte über den geschäftigen Markt, und die Ware aus mehreren Ständen flog ihm um die Ohren. Flüche und Verwünschungen erhoben sich, und weit hinter sich hörte er den Sheriff nach den Wachen brüllen. Doch die Wachen am Tor dösten, zu Robins Glück, vor sich hin.

Im Vorbeireiten griff sich Robin von einem der Stände einen prall gefüllten Sack und warf damit die Wachen nieder. Dann war er zum Tor hinaus. Jetzt kamen die Pfeile von der Mauer geflogen, doch der Sack, den er sich über den Rücken geworfen hatte, gab einen guten Schutz dagegen ab. Hinter ihm kam der Sheriff mit seinen Männern am Tor an. Die Wache dort bekam seine ganze Wut zu spüren.

So verließ Robin die Stadt Nottingham in einer Wolke aus Staub. Und das Echo seines Gelächters klang noch lange nach.


Weiter: Teil 20 – Große Pläne