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Robin Hood - König der Diebe

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Teil 21 – Entwicklungen


Eine lange Reihe Flüchtlinge trottete müde in das Lager der Waldmänner tief im Sherwood Forest. Sie trugen ihre gesamte Habe mit sich. Es war wenig genug, was ihnen geblieben war. Alle, Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen, waren gezeichnet vom Hunger und lang andauernder schlechter Behandlung. Wie so viele vor ihnen kamen sie in den Wald, weil ihnen nichts mehr geblieben war, wo sie sonst hätten hingehen können. Auch Fanny Little war unter ihnen. Der junge Wulf lief ihr entgegen und begrüßte sie freudestrahlend. Er war überglücklich, seine Mutter wiederzusehen. Der Anlass dafür interessierte ihn nicht.

Robin und Aseem saßen zusammen auf dem gestürzten Stamm einer riesigen Buche und sahen den Neuankömmlingen aufmerksam entgegen. Robin war klar gewesen, dass weitere Flüchtlinge kommen würden, ja, seine Pläne bauten sogar darauf auf. Dennoch hätte er nie mit einer solchen Menge an Menschen gerechnet. Kurz schaute er zu Sayeed, die in der Nähe gesessen hatte und nun aufstand und den Flüchtlingen entgegensah. Sie spürte seinen Blick und sah ihn an. In ihren Augen stand Schmerz - und ein unmissverständlicher Vorwurf, wie so oft in letzter Zeit.

Sie war nicht mit seinem Vorgehen einverstanden und gab ihm dies auch deutlich zu verstehen. Es bereitete ihr nahezu körperliche Schmerzen, so viele Menschen so sehr leiden zu sehen. Manchmal zog sie sich dann komplett zurück, in den Wald. Das nagte an ihm, denn Robin ließ der Gedanke nicht los, dass sie sich dann heimlich mit diesem Scarlet träfe. Obwohl es ganz offensichtlich war, dass die beiden sich nach dem Vorfall letztens geflissentlich aus dem Weg gingen – was hier im Lager nicht gerade leicht war. Robin vermutete, dass Sayeed auch deshalb so oft im Wald verschwand, obwohl sie immer mit irgendetwas zurückkam, was man als Heilmittel oder sonstwie gebrauchen konnte.

Aber auch Will Scarlet war so oft einfach nicht auffindbar. Die beiden verbrachten mehr Zeit in dem riesigen Forst als hier bei ihnen im Lager, schien es Robin manchmal. Und dass sie beide mit Robins Verhalten nicht einverstanden waren, ließ sie in seinen Augen automatisch zu Verbündeten werden.

Außerdem war es ja nicht zu übersehen, wie sie den jungen Mann anschaute, wenn sie sich unbeobachtet wähnte. Sehnsucht, Schmerz, Verlangen, all das las Robin in ihrem Blick. Auch Scarlet konnte die Augen kaum von ihr lassen, wenn er meinte, dass niemand es bemerkte. Alle im Lager spürten die Spannung zwischen den beiden, man konnte sie fast mit Händen greifen. Die Waldleute spotteten schon darüber. Und gerade diese Spannung war es, die Robins Eifersucht immer wieder anstachelte. Er sagte sich, dass er wütend auf Will Scarlet war, weil er Sayeed leiden ließ. Doch das war nicht der einzige Grund.

Er besah sich angestrengt seinen nagelneuen Eibenholz-Bogen, um die dunklen Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Aber die Missbilligung in Sayeeds Augen konnte er damit nicht verdrängen. Es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen: Alles in allem war die Not und das Leid dieser Menschen zumindest zum Teil seine Schuld. Er versuchte sich auf seine nächste Aufgabe zu konzentrieren und spannte sorgfältig eine Sehne auf seinen Bogen.

Die Flüchtlinge ließen sich müde am Lagerfeuer zu Boden sinken und erzählten ihre Geschichte. Es war die gleiche traurige, schon allzu oft gehörte, die auch alle anderen erzählt hatten, die bereits hier eingetroffen waren. Einige der Neuankömmlinge baten schüchtern um etwas zu essen und zu trinken; andere blieben einfach reglos und stumm sitzen, wo sie hingesunken waren, zu erschöpft selbst für Tränen und Klagen.

Robin sah, dass Sayeed zwischen den Flüchtlingen umherging und versuchte zu helfen. Sie hatte sich inzwischen als Heilerin bei den Geächteten einen Namen gemacht. Einige wollten sie direkt zu verletzten Angehörigen ziehen, immer wieder zupfte jemand an ihrem Ärmel oder redete aufgeregt auf sie ein, um sie auf einen vermeintlich besonders dringenden Fall aufmerksam zu machen.

Aber davon wussten die Flüchtlinge nichts. Manche zuckten erschrocken zurück, wenn Sayeeds düstere Gestalt sich ihnen näherte, doch die meisten waren selbst dazu nicht mehr in der Lage.


Will stand abseits wie so oft und beobachtete Sayeed. In den vergangenen Wochen verbrachte er einen Großteil seiner Zeit damit. Er registrierte, wie vertraut sie mit dem Mauren und diesem Locksley umging. Aber sie war nicht Locksleys Liebchen, wie er ganz automatisch angenommen hatte, sondern teilte das Lager mit dem Mauren. Doch auch sie schienen kein Paar zu sein. Wären sie nicht so verschieden wie Licht und Dunkelheit, hätte man glauben können, sie seien Vater und Tochter.

Und sie sprach nicht, kein Wort. Zu seinem Erstaunen hörte er sie manchmal lachen oder andere Geräusche ausstoßen, aber kein Wort kam über ihre Lippen. Dafür schien sie sich mit Gesten zu verständigen, die Locksley und der Maure offenbar zu deuten wussten. Es war ihm ein Rätsel, warum. Noch ein Rätsel um diese Frau, das er nicht zu lösen vermochte.

Zuerst hatte er geglaubt, die beiden seien so etwas wie Locksleys Diener, doch sie benahmen sich eher wie Gefährten, die schon viel zusammen erlebt hatten. Hatten sie etwa gemeinsam in den Kreuzzügen gekämpft? Aber doch nicht zwei Mauren mit einem Kreuzritter! Und trotzdem waren sie offensichtlich enge Freunde.

Obwohl sich das Verhältnis zwischen Locksley und Sayeed in letzter Zeit ganz eindeutig verschlechtert hatte. Manchmal schienen sie sogar zu streiten, auch wenn sie es vor den anderen zu verbergen suchten. Aber Will war immer schon ein guter Beobachter gewesen. Er brauchte ihr Gespräch - wenn man es denn ein Gespräch nennen konnte, wenn nur einer redete - nicht zu belauschen, ihre Gesten sagten genug. Meistens rauschte Sayeed dann wütend ab, in den Wald. Der doch sein Zufluchtsort war. Was hatte sie dort verloren?! Sie gehörte nicht dort hin! Sollte sie doch in die Wüste zurückgehen, aus der sie gekommen war! Wut stieg in Will hoch – und noch etwas anderes.

Was war nur mit ihm geschehen in jener Nacht? Ein Sehnen, dass er nicht benennen konnte, zerriss ihn schier. Mit aller Macht zog es ihn hin zu dieser Frau. Er wollte sie in die Arme schließen, sie spüren mit jeder Faser seines Körpers, jetzt sofort. Ohne es zu bemerken, strich er sich mit dem Finger über die Lippen, als er sich erinnerte. Ihre Hände auf seinem Körper, ihr Mund. Wie sie ihn berührte, küsste. Wie sie seine Hände über ihren Körper führte. Welche Gefühle das in ihm auslöste. Ihm wurde jetzt noch ganz heiß, wenn er nur daran dachte. Und er dachte oft daran. Dann floh er regelrecht in den Wald, damit die anderen Waldleute ihm seinen Zustand nicht ansahen, rannte bis zur Erschöpfung, badete in den eiskalten Quellen. Alles, um das Verlangen, das Ziehen zu betäuben.

Die Geächteten spotteten sowieso schon über ihn. Und der Spott hatte an Schärfe zugenommen, seit er auch seine Arbeit nicht mehr zuverlässig erledigte, weil er mit den Gedanken ständig woanders war.

Was hatte sie nur mit ihm angestellt? Verhext hatte sie ihn, das war es! Hatte der Maure nicht gesagt, sie sei eine Zauberin? Sie hatte ihn verführt mit ihren Zauberkräften. Und dann hatte sie ihn weggestoßen! Er war nur ein Spielzeug gewesen, ein kleiner Zeitvertreib! Immer wieder sagte er sich das lautlos vor, begrüßte den Zorn, der ihn erfüllte. Überlagerte er doch für kurze Zeit das, was er nicht verstand, nicht fühlen wollte.


Will ahnte nicht, dass Sayeed genau spürte, mit welchen Gefühlen er zu kämpfen hatte. Wieder wünschte sie sich verzweifelt sprechen zu können, um ihn zu erklären, dass alles doch nur ein Missverständnis war. Dass seine Wut auf sie völlig unbegründet war. Dass sie sich ebenso nach ihm sehnte wie er nach ihr.

Wenn er sie wenigstens ansehen würde. Doch Will wich jeder Annäherung von ihrer Seite fast panisch aus, schaute ihr nicht in die Augen, konnte es nicht. Häufig trieb er sich tagelang im Wald herum, nur um ihr aus dem Weg zu gehen. Dann wieder folgte er ihr, beobachtete sie aus der Ferne. Als wenn sie das nicht bemerken würde. Sie blickte zu ihm hinüber und prompt wandte er hastig den Blick ab.

Zum Teil war es auch ihre Schuld. Warum hatte sie ihn nach seinen Anschuldigungen auch noch demütigen müssen? Doch als er sie so hämisch als Robins Maurenliebchen bezeichnete, hatte sie rot gesehen. Was bildete sich dieses Kind eigentlich ein?! Sie hatte ihm das größte Geschenk gemacht, das sie geben konnte, er hätte dankbar sein müssen! Aber woher sollte er auch wissen, dachte sie traurig, dass sie in jener Nacht versucht hatte, seine Verletzungen zu heilen.

Oft folgte sie ihm, wenn er wieder im Wald verschwand. Es tat weh, ihn so heimlich zu beobachten, aber sie konnte es nicht lassen. Zu sehr genoss sie es, ihm nahe zu sein, auch wenn es nur auf diese verstohlene Weise geschah. Er bemerkte sie nie, wenn sie ihm folgte. Aber er war in diesem Zustand sowieso blind und taub gegen seine Umgebung; er hätte nicht einmal ein Schlachtross bemerkt, das in vollem Galopp durch das Unterholz bräche.

Seufzend versuchte Sayeed sich wieder auf ihren momentanen Patienten zu konzentrieren. Aber sie war einfach nicht bei der Sache. Die sorgenvollen Gedanken ließen sich nicht so einfach abstellen.

Will hüllte sich in seine Wut wie in eine Rüstung. Und je weniger er seine Gefühle verstand, desto mehr richtete er seinen Zorn und seinen Hass auf Robin. Er ließ keine Gelegenheit aus, diesen zu provozieren und die Geächteten gegen ihn aufzuwiegeln.

Beides gelang ihm nicht besonders gut. Die Geächteten beachteten Wills Hetzreden nicht oder lachten ihn sogar aus. Und Robins besonnene Art ließ Wills Provokationen wirkungslos verpuffen. Zum Glück, schoss es Sayeed durch den Kopf. Aber Wills Hass stachelte das nur noch weiter an. Ein Teufelskreis, dachte Sayeed sorgenvoll.

Auch das schmerzte sie. Sie wollte ihm so verzweifelt helfen. Doch anders als sonst war sie in dieser Hinsicht wie blockiert. Ihr wollte einfach nicht einfallen, wie sie den Schutzwall, den er um sich errichtet hatte, durchdringen konnte. Dieser Panzer bestand auch nicht erst seit jener Nacht, das spürte Sayeed ganz genau. Will hatte jahrelange Übung darin, sich gegen andere abzuschotten. Das machte es für sie auch so schwierig. Was hatte ihn nur so verletzt, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich hinter einer solch undurchdringlichen Mauer zu verschanzen? Betrübt schüttelte Sayeed den Kopf und versuchte, die trüben Gedanken beiseite zu schieben. Aber es gelang nicht. Wie sollte es auch, war doch der Grund für sie ständig anwesend.

Und ihre immer häufigeren Reibereien mit Robin belasteten sie zusätzlich. Er wusste doch, dass sie seine hochfliegenden Pläne mit den Waldleuten nicht guthieß. Und er wusste auch, dass sie ihn trotz allem jederzeit unterstützte. Warum ließ Robin es nicht dabei bewenden? Warum wollte er unbedingt ihre Zustimmung? Als wäre er auf ihre Absolution angewiesen.

Nur Aseem verstand, was sie bedrückte. Er stand ja selbst Robins Vorhaben kritisch gegenüber. Auch er sah die Gefahr, dass Robin die Geächteten, die doch nur einfache Bauern waren, in seinem Rachefeldzug gegen den Sheriff von Nottingham für Nichts verheizen würde.

Sie war froh, dass sie das Zelt teilten, das Aseem und sie sich inzwischen errichtet hatten. Es gab ihnen, die doch noch immer fremd hier waren, ein bisschen Privatsphäre; dorthin konnte sie sich zurückziehen, wenn ihr alles zuviel wurde. Aseem versuchte, sie zu trösten und sie wieder aufzurichten, wenn sie besonders niedergeschlagen war. Schon seine bloße Gegenwart half ihr – für kurze Zeit. Denn die Ursache ihres Schmerzes konnte auch er nicht beseitigen.

Die zunehmende Unruhe unter den Menschen um sie herum holte sie aus ihren Grübeleien. Das Gemurmel schwoll an, immer wieder hörte sie den Namen „Robin Hood“.


Einige der Neuankömmlinge fragten nach ihm, und Will Scarlet war es, der ihn ihnen zeigte. Ein alter Bauer ging zornig auf Robin zu und öffnete sein Gewand, um ihm die frischen Wunden kürzlicher Misshandlungen zu zeigen. Eine Frau hielt Robin ihr hungerndes Kind entgegen, dessen Augen tief in den Höhlen lagen. Nun kamen immer mehr der Flüchtlinge mit leidenden oder vor Verzweiflung starren Gesichtern näher.

Aseem sah Robin tadelnd an. „Falls es Ruhm war, den du gesucht hast, Christ, dann hast du jetzt ja wohl, was du dir gewünscht hast.“ Er sprang von dem Stamm und blieb daneben stehen, die Hand auf dem Knauf seines Säbels. Sayeed erschien plötzlich neben ihm, die Hand ebenfalls am Schwert. Die beiden tauschten einen Blick der Verständigung und lächelten sich kurz zu. Dann sahen sie wie auf ein geheimes Kommando zu Robin.

Robin erwiderte ihren Blick und nickte. Trotz aller Zwistigkeiten standen sie immer noch füreinander ein, dachte er erleichtert. Ihre Freundschaft war doch stärker als alle Meinungsverschiedenheiten.

Will Scarlet bahnte sich seinen Weg durch die Menge und blieb vor Robin stehen. Ein kurzer Blick galt natürlich Sayeed, wie Robin eifersüchtig bemerkte, dann schaute er Robin vorwurfsvoll an: „All dies Elend, Locksley, habt Ihr uns gebracht!“, sagte er anklagend.

Das ist Nottinghams Werk, Will“, widersprach ihm Robin ruhig und geduldig. „Er versucht, uns zu entzweien.“

Zwietracht herrscht bereits, reiches Söhnchen“, entgegnete Will Scarlet verächtlich. „Ich bin nicht so blind wie der alte Mann da drüben“, sagte er mit einer Geste zu Duncan, der in der Nähe saß. „Ihr versucht immer noch, Euch wie ein Gutsherr zu verhalten, Locksley.“ Er blickte sich um und schätzte die Stimmung der zuhörenden Geächteten und Flüchtlinge ab. „Ich habe gehört, dass dem Sheriff sein Hals jetzt fünfhundert Goldstücke wert ist.“ Erstauntes, ungläubiges Gemurmel erhob sich unter den Leuten. Fünfhundert Goldstücke waren eine Summe, die sich keiner von ihnen richtig vorstellen konnte. Robin lächelte geschmeichelt, aber er wurde sofort wieder ernst, als Will sich zu der Menge umdrehte und rief: „Ich sage, liefern wir ihn aus! Gebt ihn dem Sheriff!“

Es gab zustimmendes Gemurmel, vor allem von den Flüchtlingen, wenn auch nicht von allen. Robin schüttelte langsam den Kopf und musterte Will, als sei er ein besonders begriffsstutziger Schüler. Dann sah er die Leute vor sich an. „Glaubt ihr wirklich im Ernst, dass der Sheriff euch alles wieder zurückgibt, wenn ich tot bin?“

Er wird uns die Belohnung geben“, rief Will Scarlet, „und uns begnadigen.“

Robin sprang von dem Stamm und sah in die Runde. „Falsch. Er wird euch aufhängen, einen nach dem anderen“, stellte Robin fest.

Zornig musterte Will sein Gegenüber. „Und was sollen wir Eurer Meinung nach tun?“, fragte er höhnisch. „Kämpfen gegen Ritter in Rüstungen zu Pferde, mit Steinen und bloßen Händen?“

Wenn es sein muss...“ antwortete Robin. Er ging auf Will zu. Direkt vor ihm blieb er stehen. „Aber mit der Waffe, die dir nicht einfällt, Will...Tapferkeit“, setzte er nachdrücklich hinzu.

Wills Gesicht wurde starr vor Wut. Er funkelte Robin zornig an, bekam aber kein Wort heraus. Die beiden Männer duellierten sich mit Blicken. Dann wandte Robin sich ab und ging seelenruhig davon.

Sayeed sah ihm verblüfft nach, dann schaute sie Aseem fragend an. Der erwiderte ihren Blick ebenso überrascht und zuckte ratlos mit den Schultern. So entging ihnen beiden, dass Will außer sich vor Zorn sein Messer aus dem Gürtel zog und zum Wurf ausholte. Doch der junge Wulf rief Robin eine Warnung zu. Dieser fuhr herum, zielte und schoss in einer einzigen blitzschnellen Bewegung. Der Pfeil traf Will Scarlet genau in die erhobene Wurfhand, das Messer fiel wirkungslos zu Boden.

Beeindrucktes Gemurmel wogte durch die Menge. Will hielt sich die von dem Pfeil durchbohrte Hand und starrte Robin hasserfüllt an, dann lief er davon. Robin strich Wulf dankend über den Kopf und wollte sich gerade an die Leute wenden, als Sayeed wie ein Blitz auf ihn zugestürzt kam. Bevor er wusste, wie ihm geschah, saß er schon auf dem Boden, seinen Bogen hatte sie ihm aus der Hand geschlagen. Dann fing er sich auch noch eine schallende Ohrfeige ein, bevor sie herumwirbelte und Will Scarlet nachlief, der inzwischen im Wald verschwunden war.

Immer noch völlig perplex hielt Robin sich die brennende Wange. Er rappelte sich mühsam auf und schaute in ebenso entgeisterte Gesichter. Die Leute um ihn herum starrten ihn mit offenen Mündern und angehaltenem Atem an. Ängstlich warteten sie auf seine Reaktion.

Dann hörte er jemanden schallend lachen. Der volltönende Bass konnte eigentlich nur einem gehören. Und richtig, dort stand Aseem und lachte aus vollem Hals. Einen Moment lang überlegte Robin, ob er den respektlosen Mauren gleich hier erwürgen sollte. Doch dann ging auch ihm das Absurde der Situation auf. Er begann zu grinsen, schließlich lachte er laut. Erleichtert fielen Little John und die anderen ein.

Robin wurde wieder ernst und wandte sich an die Menschen. „Wollt ihr es zu Ende bringen? Wollt ihr wieder nach Hause?“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich unter den Waldleuten.

Dann müssen wir endlich aufhören, gegeneinander zu kämpfen, auch wenn wir einen hohen Preis dafür zahlen müssen.“ Er sprang auf den Baumstamm und rief: „Ich für meinen Teil würde lieber sterben, als mich mein Leben lang zu verstecken. Der Sheriff nennt uns Gesetzlose. Aber ich sage, wir sind frei. Und ein freier Mann, der Haus und Hof verteidigt, ist tausendmal stärker als zehn angeheuerte Söldner.“

Robin blickte kurz zu Aseem hinüber und deutete auf ihn. „Das haben mich die Kreuzzüge gelehrt. Ich werde euch nichts versprechen, bis auf Eines: Wenn ihr wirklich tief in euren Herzen daran glaubt, frei zu sein, dann können wir sie besiegen!“

Aber sie tragen Rüstungen, Robin“, wandte Bull ein.

Das mag wohl sein“, antwortete Robin lächelnd und wies auf Wulf, „doch sogar einem Kind kann man beibringen, den schwachen Punkt einer Rüstung zu finden.“

Aber wir haben nichts zu essen!“ rief ihm einer der Bauern zu.

Was brauchen wir, was uns der Wald nicht geben kann?!“, antwortete Robin. „Er gibt uns Nahrung und Holz für Waffen!“ Er sah zu den uralten Buchen auf, die rings um das Lager standen und breitete lächelnd die Arme aus. „Diese Bäume werden uns Schutz bieten und Sicherheit geben.“

Aber der Bauer war noch nicht überzeugt. „Was ist mit unseren Familien?“ rief er besorgt. „Der Sheriff hat uns doch alles genommen.“ Zustimmung war aus der Menge zu hören.

Robin drehte sich immer noch lächelnd um. „Dann, bei Gott, holen wir uns alles wieder zurück.“


Weiter: Teil 22 – Wunden heilen