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Robin Hood - König der Diebe

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Teil 3 – Die Flucht

Der Maure bückte sich rasch. Er hob die Frau auf, als wiege sie nicht mehr als eine Feder. „Hier entlang“, sagte er und schritt hastig zur Rückwand der Folterkammer. Robin sah dort zwar nur die blanken Steine, folgte dann aber achselzuckend dem Mauren zusammen mit Peter, der sich schwer auf ihn stützen musste. Der Maure schob vorsichtig eine Hand hinter einen Mauervorsprung und zog dort an einem verborgenen Hebel. Es gab ein leises, knirschendes Geräusch, und in der Mauer erschien eine Öffnung, die sich zu einem langen, engen Tunnel erweiterte. Robin hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, woher der Maure von dieser Geheimtür und dem Tunnel wissen konnte. Er griff sich eine der Fackeln von der Wand und folgte dem Mauren mit Peter in den schwarzen Tunnel hinein. Hinter ihnen weinten und schrien die anderen Gefangenen, flehten um ihre Befreiung – unter ihnen die vier Engländer, ihre Kampfgefährten. Robin schloss kurz die Augen und versuchte, ihre Stimmen zu verdrängen. Hastig trat er in den Tunnel. Der Maure zog hinter ihnen die Maueröffnung wieder zu und schloss die bettelnden Stimmen aus. Rundherum war nur noch spärlich von der Fackel erhellte Dunkelheit.

Robin erschauerte plötzlich. Es war kalt hier in dem Tunnel, gerade nach der Hitze der Folterkammer. Als er eine Hand auf seinem Arm spürte, fuhr er erschrocken herum. Der Maure lächelte ihn an und nahm ihm die Fackel aus der Hand. „Wir müssen uns beeilen“, sagte er ruhig. „Es wird nicht lange dauern, bis sie entdeckt haben, wohin wir verschwunden sind.“

Wo führst du uns hin?“ fragte Peter misstrauisch.

Einen Moment waren die blitzenden weißen Zähne des Mauren im Lichtschein der Fackel zu sehen. „An den einzigen Ort in Jerusalem, mein Freund, der noch schlimmer ist als die Verliese. In die Kanäle.“

Und er ging wieder voraus in die Dunkelheit hinein, die Frau auf der Schulter, die Fackel so weit es ging über sich hochhaltend. Sie folgten ihm. Der enge Schacht begann abwärts zu führen, bis sie schließlich in einem Labyrinth roher Steintunnel anlangten, die hier unter der Stadt verliefen. Ein entsetzlicher Gestank lag in der Luft, und er nahm noch weiter zu, bis sie das Ende eines dieser Tunnel erreicht hatten und unvermittelt in fast drei Fuß hohes Kloakenwasser plumpsten. Der Maure watete stetig voran. Sie hielten sich mit Mühe dicht hinter ihm. Robin hielt den Kopf weit nach oben gestreckt und versuchte, so selten wie möglich einzuatmen und wenn, dann nur durch den Mund. Trotzdem war der Gestank kaum auszuhalten. Er war der Meinung gewesen, all die Jahre in den Verliesen Jerusalems hätten ihn gegen jedes Maß an Schmutz und Gestank gefeit, doch diese Abwasserkanäle hatten eine Duftnote, die nicht zu überbieten war. Doch dann musste er grimmig lächeln. Wenn er an die Folterkammer dachte, hatten sie sich doch entschieden verbessert.

Du bist schnell mit dem Schwert, mein Freund“, sagte der Maure ganz unerwartet.

Ich habe fünf Jahre auf eine Chance der Freiheit gewartet“, antwortete Robin. „Das macht einen schnell.“

Wie weit ist es noch?“ fragte Peter. „Hören diese Tunnel denn überhaupt nicht mehr auf?“

Es ist jetzt nicht mehr weit“, sagte der Maure. „Schaffst du es noch?“

Ich bin imstande, dir überallhin zu folgen, Heide“, gab Peter zurück. Doch seine Stimme klang eher müde als zornig.

Robin warf ihm einen besorgten Blick zu. Zorn und Erregung hatten Peter bisher aufrecht gehalten, doch es war unübersehbar, dass ihn seine Kräfte zu verlassen drohten. Er versuchte ihn noch mehr zu stützen als bisher schon, ohne dass Peter es zu sehr merkte. Robin hoffte nur, dass der Maure wenigstens einigermaßen wusste, wohin er sie führte. Doch nun hatte er ihm bis hierher vertraut, also konnte er es genauso gut auch weiterhin tun. Er lächelte bitter. Als wenn er schon groß die Wahl gehabt hätte! Sein Blick ruhte kurz auf der schlaffen Gestalt, die der Maure auf der Schulter trug. Was hatte der Maure mit der leblosen Frau im Sinn?

Plötzlich nahm er sie von der Schulter, dann drängte der Maure in eine Nische, die so schmal war, dass er nur seitwärts hinein gelangte. Robin und Peter folgten ihm nacheinander. Nach der engen Öffnung weitete sich der neue Tunnel rasch und mündete in einen hohen Luftschacht. Der Maure hielt die Fackel so hoch er konnte, doch auch so reichte ihr Lichtschein nicht bis ganz nach oben. Ein frischer Luftzug war indessen deutlich spürbar. Er schien ihre Gesichter zu umschmeicheln und reiner zu sein als der Duft der süßesten Rose.

Der Maure legte sich die Frau wieder über die Schulter und begann den Schacht hinaufzuklettern. In 2die Schachtwand eingelassene Metallstreben dienten ihm als Tritte. Peter sah ihm nach und schüttelte langsam den Kopf. „Da komme ich niemals hinauf, Robin.“

Du musst es versuchen“, sagte Robin. „Wir haben es doch nicht bis hierher geschafft, um jetzt aufzugeben.“

Er schob Peter vor sich und den Schacht hinauf. Dann stieg er den Schacht aufwärts hinter ihm her, ihn immer wieder ermutigend und ihm beim Aufstieg helfend, so gut es ging. Es war so mühsam, dass seine Beinmuskeln vor Anstrengung zu zittern begannen.

Schließlich gelangte auch er oben an, wo der Maure auf sie wartete und Peter heraus half. Die Frau hatte er neben sich gelegt. Robin zog sich noch etwas höher und streckte den Kopf hinaus.

Die Stadt lag im Dunkel der Nacht. Er sah in alle Richtungen und entspannte sich langsam, als er die menschenleere Straße vor sich sah. Er zog sich hoch und stand in der kühlen Nachtluft. Mit geschmeidigen Bewegungen hievte der Maure die Schachtabdeckung wieder an ihre Stelle, als würde es ihn nicht die Spur einer Anstrengung kosten.

Sie setzten sich einfach auf die Straße, um wieder zu Atem zu kommen, sogen die frische Nachtluft tief ein und lehnten sich aneinander, um sich gegenseitig zu stützen. Niemand von ihnen bemerkte die Wache auf der Stadtmauer am Ende der Gasse, die sie beobachtete und dann langsam einen Pfeil auf ihren Bogen legte.

Robin beugte prüfend seinen Arm mehrmals. Er starrte auf den Krummsäbel, den er irgendwie den ganzen Weg bis hierher nicht losgelassen hatte. Dann sah er sich langsam um. Sie schienen sich direkt außerhalb der Gefängnismauern zu befinden. Die mächtigen Mauern, die die Stadt umgaben, waren am Ende der Straße zu erkennen. Der Maure hatte also auf jeden Fall einen hervorragenden Orientierungssinn, wer immer er auch sein mochte.

Er stand langsam auf und achtete bewusst nicht auf seine schmerzenden und widerstrebenden Muskeln. Auch Peter rappelte sich hoch. Der Maure sah sich vorsichtig nach allen Seiten um.

Robin lächelte Peter an. „So Gott will, sind wir gerettet.“

Peter erwiderte sein Lächeln. Dann erstarrte er plötzlich, sein Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. Seine Hand krampfte sich schmerzhaft um Robins Arm. Robin starrte ungläubig auf die blutige Pfeilspitze, die aus Peters Brust ragte. Der Maure war rasch bei ihm. Gemeinsam schleppten sie Peter in den Schutz der Dunkelheit an der Mauer. Robin legte prüfend die Hand an das Pfeilende in Peters Rücken, doch Peter stöhnte im gleichen Moment unter Schmerzen auf. Robin zog seine Hand zurück und sah den Mauren, der gerade die Frau neben Peter legte, fragend an.

Nichts zu sehen von dem Bogenschützen“, sagte der Maure ruhig. „Er kann überall sein.“

Hier können wir nicht bleiben“, sagte Robin. „Peter braucht Hilfe.“

Der Maure besah sich Peters Wunde und suchte dann Robins Blick. Es war unnötig, etwas zu sagen. Plötzlich hörten sie Alarmrufe und im Dunkeln zusammenlaufende Soldaten. Robin legte einen Arm um Peters Hüfte.

Stütze dich auf meine Schultern, Peter. Wir müssen hier schleunigst verschwinden.“

Peter schüttelte mit sichtlicher Anstrengung den Kopf und lehnte sich an die Mauer. Er war kreidebleich, aber seine Augen waren dunkel und wissend. „Ich gehe nirgends mehr hin, Robin. Das hier ist eine tödliche Wunde, und du weißt es ebenfalls. Lass mich hier zurück.“ Er schluckte trocken und verzog das Gesicht, weil allein diese kleine Bewegung auch den Pfeil in ihm bewegt hatte. „Du warst mir immer ein guter Freund, Robin. Sei es auch jetzt. Sage meiner Mutter...und meiner kleinen Schwester...dass ich sie liebe. Sage ihnen, dass ich...als freier Engländer starb.“

Robin warf dem Mauren verzweifelte Blicke zu, doch es kam keine Hilfe von ihm, kein Trost. „Der Pfeil steckt in seinem Herzen. Wir können nichts für ihn tun, und wir können auch nicht hierbleiben.“

Robin fand keine Worte. Peter brachte aus irgendeiner verborgenen Falte seiner Lumpen einen Ring zum Vorschein, den er Robin in die Hand drückte. „Gib ihn meiner Schwester. Versprich mir, sie an meiner Statt zu beschützen...Versprich es mir, Robin!“

Robin nickte; zögernd nur, als mache erst dieses Versprechen Peters Tod wirklich und endgültig. „Ich gebe dir mein Wort.“

Peter sprang unvermittelt auf, entriss Robin den Krummsäbel und stürzte auf die Soldaten zu, die sich suchend am anderen Ende der Straße versammelt hatten.

Für England!“ rief er und lächelte. Es war der einzige Kampfruf, den er je gebraucht und an den er je geglaubt hatte. „Für England!“

Robin hechtete ihm noch hinterher, um ihn aufzuhalten. Der Maure hatte alle Mühe ihn festzuhalten und wieder in die sichere Deckung zu ziehen. Er zerrte Robin fort ins Dunkel, die Frau wieder auf der Schulter. „Komm! Dieses Opfer soll ein Akt der Ehre sein!“

Noch einmal, als Peter so mit gezogener Waffe den Feinden entgegenlief, war er der große und starke Krieger, als der er einst ins Heilige Land gekommen war, um Ruhm und Ehre für seinen Glauben zu erringen. Und ein letztes Mal leuchtete all seine Kraft und Stärke aus ihm. Den ersten Soldaten, dem er begegnete, streckte er noch mit einem gewaltigen Hieb nieder. Aber die anderen hatten ihn bereits wie eine Meute Hunde umringt. Doch er schwang seinen Säbel mit alter Fertigkeit und spürte die Hiebe nicht, die ihn selbst trafen, bis er schließlich fiel, ohne seinen Feinden auch nur einen Millimeter Boden freiwillig zu überlassen.

Robin warf einen letzten Blick zu den Soldaten zurück, die Peter unter sich begraben hatten, dann verschwand er zusammen mit dem Mauren in den Schatten der Nacht.

Sie hielten nach einiger Zeit in einer einsamen Seitengasse an, um zu verschnaufen. An beiden Enden der Gasse liefen Soldaten mit Fackeln vorüber, doch die Schatten waren dunkel genug, ein ganzes Heer zu verbergen.

Robin hielt Peters Ring krampfhaft in seiner Faust und schüttelte langsam den Kopf. England! Wie weit war das weg! Als der Maure ihn anstieß, hob er zerstreut den Kopf. Er hielt ihm die Hälfte einer Melone hin, die er von einem Stapel neben sich genommen hatte. Erst jetzt spürte Robin, wie hungrig er war. Gierig aß er von dem saftigen Fleisch. Dann wandte er sich unsicher an den hünenhaften Mauren, der gerade damit beschäftigt war, der Frau etwas von dem Saft der Melone einzuflößen.

Es ist Zeit, Lebewohl zu sagen, Freund. Gott schütze dich auf deinem Weg.“

Der Maure hielt inne und drehte sich zu ihm um. „Wir haben einen gemeinsamen Weg“, sagte er bestimmt. „Mit Allahs Schutz.“

Er lächelte Robin an, der unsicher die Stirn runzelte. „Warum?“ fragte Robin schließlich. „Was hält uns zusammen?“

Du hast mir das Leben gerettet“, sagte der Maure. „Ich muss also so lange bei dir bleiben, bis auch ich dir deines gerettet habe.“

Ich danke dir“, sagte Robin, „aber ich gehe nach England zurück, und das ist weiterer Weg als alles, was du kennst. Außerdem hast du genug zu tun mit der Frau dort. Ich befreie dich hiermit von deiner Verpflichtung.“ Er wandte sich ab, raffte noch ein paar Melonen an sich und wollte davonhasten.

Doch der Maure schüttelte den Kopf. „Das kann allein Allah.“

Robin traute seinen Ohren nicht und drehte sich zu ihm um. „Und wenn ich dich gar nicht bei mir haben will?“

Du hast keine Wahl. Es sei denn, du glaubst, mich töten zu können.“ Er grinste breit und steckte Robin die Hand hin. „Ich heiße Aseem ibn Arouf ben Bakr. Du kannst mich Aseem nennen.“

Robin seufzte resignierend und nahm die angebotene Hand. „Und ich bin Robin. Robin von Locksley.“

Dann hasteten sie davon, Robin die Arme voller Melonen und Aseem mit der Frau, die er sich wieder über die Schulter gelegt hatte.


Weiter: Teil 4 – Locksley Castle