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Robin Hood - König der Diebe

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Teil 5 - Heimkehr

Die Takelage knackte und die Segel blähten sich, als das französische Schiff auf die englische Küste zuhielt. Gischt sprühte über den Bug und bedeckte das Deck mit feuchtem Nebel, doch der Mann, der dort unbeweglich wie eine Statue stand, achtete nicht darauf. Er sah nur sein Heimatland näher kommen. Die majestätischen weißen Klippen von Dover beherrschten den Horizont. Möwen umschwirrten sie und segelten in der Brise.

Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Robin sich im Frieden mit sich selbst. Er war wieder daheim. Seine Zeit im Orient war nur noch ein böser Traum, der hinter ihm lag und bald vergessen sein würde. Vor ihm lag England, genauso, wie er es in Erinnerung und es sich in den Verliesen Jerusalems wieder und wieder vorgestellt hatte.

England hatte ihm in jener Zeit viel bedeutet. Es war sein Land, ein Land von Licht und Freiheit, in dem noch immer Ehre und Gerechtigkeit herrschten. Diese Vorstellung war es gewesen, die ihn in der endlosen Gefangenschaft bei Sinnen gehalten hatte. Sie hatte die Hoffnung in ihm nicht erlöschen lassen, wenn er von Mutlosigkeit übermannt worden war. Er hatte seine Pflicht getan und seinem König gedient. Er hatte mehr erlitten, als für die meisten Menschen überhaupt vorstellbar war. Nun kehrte er heil zurück in die Heimat, und niemals wieder sollten ihn falsche Versprechungen von Ehre und Ruhm in heißen Schlachten fortlocken können.

Er streckte sich langsam, ohne die weißen Klippen vor sich auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Zehn Monate hatten sie für die Reise gebraucht, mal zu Fuß, dann wieder mit dem Schiff oder zu Pferd. Und immer wieder unterbrochen von Phasen, in denen sie nicht weiterkamen, weil ihnen das Geld fehlte oder etwas anderes sie am Fortkommen hinderte. Ihm waren gerade die letzten Wochen wie eine Ewigkeit vorgekommen. Doch jetzt waren sie fast am Ziel.

Robin sah nun wieder stämmiger aus, gut erholt. Dennoch hatten die langen Jahre der Gefangenschaft ihre Spuren in seinem Gesicht und seinen Augen hinterlassen. Er trug schlichte und praktische Kleidung unter einem Pilgerrock, und nur ein Kragen mit reich bestickter Kapuze erinnerte noch ein wenig an den stolzen Jüngling, der dieselbe Küste vor fast sieben Jahren verlassen hatte. Sein eigener Vater würde Mühe haben, ihn wieder zu erkennen.

Robin lächelte gedankenverloren. Sie waren mit harten Worten voneinander geschieden, als er darauf bestanden hatte, entgegen den Wünschen seines Vaters ins Heilige Land in den dritten Kreuzzug zu ziehen. Und er hatte in den zahlreichen verzweifelten Stunden, in denen er befürchteten musste, Heimat und Familie nie wieder zu sehen, reichlich Gelegenheit gehabt, diesen Entschluss heftig zu bereuen.

Er wandte den Kopf zur anderen Seite des Schiffes, wo Aseem, der Maure, schweigend stand und scheinbar unbewegt seinen Blick über die Küste schweifen ließ. Es war allein sein Verdienst, dass sie aus Jerusalem hatten fliehen können. Er besaß immer noch Freunde in der Stadt, die sie mit neuer Kleidung, Waffen, ja sogar Geld ausstatteten und ihnen auch noch dabei halfen, die bewachten Stadttore zu überwinden, versteckt in einem mit Stoffballen beladenen Karren. In einem kleinen Dorf nahe Jerusalem kauften sie sich dann Pferde und setzten ihre Flucht fort.

Neben Aseem stand Sayeed, die Frau, die er auch auf der Flucht aus Jerusalem mitgenommen hatte. Auf Robins verständnislose Frage hatte er damals nur lapidar entgegnet, sie könne dort nicht bleiben.

In einer Oase, etwa eine Tagesreise von Jerusalem entfernt, wohnte Robin dann einer geheimnisvollen Zeremonie bei. Es war eine Vollmondnacht, als Aseem und er den leblosen Körper in einen stillen Teich trugen. Langsam ließen sie die Frau ins Wasser gleiten. Der Maure murmelte dabei etwas vor sich hin, das Robin für Beschwörungsformeln hielt, obwohl der es immer vehement bestritt. Er habe nur zu Allah gebetet, dass ihm sein Vorhaben auch gelingen möge, behauptete Aseem, denn eigentlich habe er es nur verzweifelt gehofft.

Dann zog der Maure seine Hände unter dem Körper der Frau weg und strich ein paar Mal sanft über ihr Gesicht und ihren Körper. Robin meinte eine ganz leichte Bewegung durch ihren Leib gehen zu spüren. Aber als Aseem ihn aufforderte, seine Hände ebenfalls fortzunehmen, sah Robin ihn an, als habe er den Verstand verloren. Doch schließlich begriff er, dass der Maure es ernst meinte. Unsicher zog er die Arme fort und die Frau versank wie ein Stein. Robin blieb fast das Herz stehen. Fassungslos blickte er Aseem an. Auch in dessen Gesicht regte sich nun leise Unruhe. Dann stieg ein Schwall Luftblasen an die Oberfläche, das Wasser wirbelte hoch und die Frau tauchte nach Luft schnappend auf. Aseem und Robin führten sie ans Ufer. Sie konnte sich zuerst kaum auf den Beinen halten, erholte sich aber erstaunlich schnell.

Aseem hatte vorsorglich neue Kleidung für sie zurechtgelegt: weiße Hosen und Untergewand, schwarzen Burnus und ein langes schwarzes Stoffband für den Turban. Sie streifte rasch die nassen Fetzen ihrer alten Kleidung ab und kleidete sich an. Robin konnte sie nur mit offenem Mund anstarren. Sie war schlank und feingliedrig, dabei durchtrainiert wie ein Krieger. Doch Robins Augen hingen nur an den Narben auf ihrem Körper. Ungläubig registrierte er, dass die schrecklichen Wunden der Folterung schon verheilt und nur wenige zu wulstigen Narben geworden waren. Die anderen waren nur noch als schwache weiße Male auf ihrer hellbraunen Haut zu erkennen.

Während sie sich ankleidete, versuchte Aseem mit ihr zu reden, doch sie reagierte nicht. Als sie vollständig bekleidet war, stand ein völlig fremdes Wesen vor ihnen. Sie hatte sich das Ende des Turbantuchs auch noch vor Mund und Nase gezogen, so dass nur Ihre Augenpartie unbedeckt blieb – die Tracht der Wüstennomaden. Als letztes legte sie das Schwert an, das Aseem ebenfalls besorgt hatte. Es war eine schlanke, elegante Klinge, eher einem Degen als den Krummschwertern der Sarazenen ähnlich.

Sie sah die beiden Männer eindringlich an, beugte sich herab und schrieb etwas in den Sand. Aseem beugte sich darüber, dann richtete er sich langsam auf. Sein Blick war sorgenvoll, als er zu Robin sagte: „Sie heißt Sayeed.“

Sie waren über eine Woche in der Oase geblieben. Nicht wegen Sayeed. Sie erholte sich so schnell, dass man fast dabei zusehen konnte. Doch Robin brauchte länger, bis seine körperliche Stärke soweit wieder hergestellt war, dass er die lange Reise auf sich nehmen konnte. Während sie darauf warteten, trainierte er mit Aseem und Sayeed seine alten Fähigkeiten. Robin staunte, mit welcher Geschicklichkeit Sayeed alle möglichen Waffen handhabte. Gleichzeitig brachten er und Aseem ihr Englisch bei. Bald verstand sie es soweit, dass sie Aseem als Dolmetscher nicht mehr benötigte.

Aber was Aseem und Robin schon in der ersten Nacht in der Oase befürchtet hatten, wurde schnell zur Gewissheit. Sayeed hatte ihre Sprache verloren und erlangte sie auch nicht wieder. In den Monaten ihrer Reise entwickelten sie eine Zeichensprache, die eine gewisse Kommunikation zuließ. Doch meistens war keinerlei Sprache nötig, Sayeeds Augen sagten genug.

Robin erinnerte sich immer noch gut an den Schauer, der ihn überlaufen hatte, als er ihre Augen im Tageslicht zum ersten Mal deutlich erkennen konnte. Sie waren von einem einzigartigen dunklen Grün, mit einem goldenen Flirren darin, das ihnen eine unheimliche Tiefe verlieh. Alles Wissen dieser Welt schien in ihnen zu liegen. Robin fragte sich manchmal, wie alt sie eigentlich war. Ihr Gesicht und ihr Körper wirkten wie die einer jungen Frau, aber ihre Augen schienen sehr viel mehr als zwei Jahrzehnte gesehen zu haben.

Als ihr Haar nachwuchs, stellte Robin fasziniert fest, dass es hellblond war, mit einem fast silbrigen Schimmer. All dies ließ in ihm die Gewissheit wachsen, dass sie keinem orientalischen Volk angehören konnte, zu fremdartig war ihr Aussehen. Sie hätte eher dem Sachsenvolk entstammen oder sogar den Nordmännern angehören können, die Englands Küsten noch immer gelegentlich besuchten.

Robin hätte gern mehr von Sayeed erfahren. Während ihrer Reise hatte er es ein paar Mal versucht, aber sie verweigerte jede Auskunft darüber. Auch Aseem, der offenbar einiges wusste, schwieg sich eisern darüber aus. Er ließ sich zwar zu der Aussage herab, dass er ihr Volk kannte, aber dann meinte er nur: „Wenn Sayeed dir nicht darüber berichtet, wer bin ich, dass ich etwas über sie erzähle. Wenn die Zeit reif ist, wirst du es schon erfahren, Christ.“

Robins Augen schweiften zu der schlanken Gestalt, die hoch aufgerichtet neben Aseem in der Brise stand. So schnell ihre körperlichen Wunden auch verheilt waren, ihre Seele hatte offenbar schwerere Schäden erlitten. Sie trug ihre Kleidung wie eine Rüstung, versteckte sich dahinter, verbarg in Gegenwart Fremder immer ihr Gesicht. Des Nachts quälten sie Alpträume, aus denen sie zitternd und mit angstvoll aufgerissenen Augen hochschreckte. Aber wenn Aseem oder Robin sie beruhigen, trösten wollten, wehrte sie ihre Berührungen fast panisch ab und rannte davon. Zuerst suchten die beiden Männer sorgenvoll nach ihr, aber bald erkannten sie, dass Sayeed sich nie weit entfernte, sondern einfach nur Zeit brauchte, um sich wieder zu beruhigen. Dann erschien sie wieder, schweigsam und unnahbar wie zuvor. Erst langsam wurde sie unbefangener, doch nur, wenn sie drei allein waren.

Es war nicht schwer zu erraten, wie sein Vater, Lord Locksley, auf seine neuen Freunde reagieren würde. Wie fast alle Engländer glaubte auch er, dass nur ein toter Maure ein guter sei. Und was er von einer Frau halten würde, die Männerkleidung trug, nicht sprach und wie ein Mann zu kämpfen verstand, konnte sich Robin lebhaft vorstellen.

Das Schiff ging schließlich vor Anker. Bald saßen sie nebeneinander in einem Boot, das die französischen Matrosen zum Ufer ruderten. Robin rutschte ungeduldig auf der rauen Holzbank hin und her, während das Land immer näher kam, für ihn mit quälender Langsamkeit. Am Ende hielt er es nicht länger aus und sprang, während seine Gefährten ihm amüsiert zusahen, aus dem Boot ins Wasser und watete die letzte Strecke zum Ufer. Wieder auf Englands Boden. Er warf sich auf den Strand, wälzte sich jubelnd in der Gischt. Er genoss den Augenblick.

Endlich wieder zu Hause“, sagte er schließlich leise. „O Herr, ich danke dir.“

Hinter ihm stieß das Boot an Land. Die französischen Matrosen sprangen heraus, um es auf den Strand zu ziehen. Aseem stieg mit gelassener Würde aus und gesellte sich zu Robin, der immer noch auf dem Strand lag. Sayeed folgte ihm, die Gewänder schützend um ihren Körper gerafft, damit sie nicht nass wurden. Die Franzosen hielten gehörigen Abstand von ihnen. Die ganze Seereise über hatten sie nicht so recht gewusst, was sie von den beiden Fremden halten sollten. Robin konnte es ihnen nicht verübeln. Der Maure war eine imposante Erscheinung, und das nicht nur wegen seines muskulösen Körpers und seiner Respekt gebietenden Tätowierungen. Sayeeds düstere verhüllte Gestalt, gepaart mit ihrem Schweigen, war ihnen vielleicht noch weniger geheuer gewesen. Robin betrachtete sie aufmerksam bei ihren ersten Atemzügen englischer Luft.

Nach einer Weile blickte er dem Mauren dann fest in die Augen. „Mein Freund, du hast mich sicher nach Hause begleitet und warst ein guter Kamerad und Gefährte. Ich bitte dich, betrachte dich nun als deiner Verpflichtung ledig. Nimm Sayeed mit dir, geh zurück auf das Schiff und kehre heim. Ich weiß, wie schwer euer Herz so fern eurer Heimat und der Eurigen sein muss.“

Aseem schüttelte mit verschränkten Armen einmal mehr entschieden den Kopf. „Eben weil sie mir so lieb und teuer sind, kann ich sie nicht entehren, indem ich meinen Eid breche. Und was Sayeed betrifft, wird sie wohl niemals in ihre Heimat zurückkehren können, will sie am Leben bleiben.“

Robin nickte resignierend. „Ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest.“

Er nickte dem französischen Matrosen zu, der sich mit einem Prügel hinter dem Mauren herangeschlichen hatte. Der Matrose griente und holte mit seinem Knüppel aus. Doch als er zuschlug, wich ihm Aseem, ohne sich auch nur umzudrehen, mit einem Schritt zur Seite spielend aus. Der Matrose verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Aseem drehte sich herum, griff ihn sich ganz ruhig und schleuderte ihn scheinbar anstrengungslos in die Brandung. Sayeed stand mit gezogenem Schwert neben ihm und behielt wachsam die anderen Matrosen im Auge. Diese kamen dem Mann nun zu Hilfe und zogen ihn hastig aus der Gefahrenzone, während sie alle paar Sekunden in hysterisches Gelächter ausbrachen. Sayeed steckte ihr Schwert zurück in die Scheide. Aseem starrte Robin vernichtend an. „Niemand bestimmt über mein Geschick. Und schon gar nicht jemand, der mit dem Wind angreift und nach Knoblauch riecht.“

Robin lachte, immer noch auf den nassen Sand liegend, und hielt Aseem die Hand hin. Der folgte der Aufforderung und zog ihn hoch. Robin klopfte Aseem begütigend auf die Schulter. „Schon gut, Aseem, dann kommt eben mit. Die nächsten Wochen werden wir bei meinem Vater meine Heimkehr gebührend feiern.“

Aseem lächelte ebenfalls. Robin bückte sich, hob sein bescheidenes Bündel auf und warf es sich über die Schulter. Gemeinsam mit Sayeed gingen sie langsam auf die Klippen zu. Robin wandte sich wieder an Aseem: „Du verstehst doch, dass ich es wenigstens versuchen musste?“ fragte er entschuldigend.

Aber mir wäre es gelungen“, erwiderte Aseem im Brustton der Überzeugung. Robin lachte.


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