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Teil 7 - Nottingham

Nottingham Castle ragte hoch und finster über der Stadt auf. Die Burg war als Festung erbaut worden. Sie sollte die Handelsstraßen nach Norden bewachen und beschützen. Graue Steinmauern türmten sich hoch in die Nacht und schimmerten kalt im Mondschein. Nottingham Castle war kein sehr komfortabler Ort zum Leben oder auch nur zum Besuchen. Die Bewohner der Stadt Nottingham wandten sich ab und schlugen das Kreuz gegen das Böse, wenn auch nur der Name der Burg im Gespräch genannt wurde. Denn die Festung war untrennbar mit dem Namen des Mannes verbunden, der sie bewohnte und über sie und die Stadt herrschte. Der Sheriff von Nottingham.

Einiges davon bedachte Sir Guy von Gisborne, als er den stillen, verlassenen Korridor entlangging, der zu den Privatgemächern des Sheriffs führte. Der Sheriff pflegte mit den Überbringern schlechter Botschaften nicht sehr gnädig zu verfahren. Aber es half nichts. Er musste schließlich erfahren, dass Robin von Locksley heimgekehrt war.

Er ging um die letzte Ecke und blickte der bewaffneten Wache vor der schweren Holztür entgegen. Der Wächter verbeugte sich zwar respektvoll vor ihm, machte aber keine Anstalten, seine Hellebarde zu senken und ihm den Weg freizugeben.

Tritt beiseite, Kerl“, knurrte Gisborne ungehalten. „Ich muss zum Sheriff.“

Verzeiht mir, Sir Guy“, sagte der Wächter, immer noch respektvoll, „aber Lord Nottingham hat ausdrücklich befohlen, durch niemanden gestört zu werden.“

Nun verlor Gisborne endgültig die Geduld. Er packte den Mann kurzerhand und schleuderte ihn beiseite. Dann stieß er die Tür ohne anzuklopfen auf, so dass sie heftig an die Wand krachte, und trat ein. Mühsam zügelte er seine Wut, trat näher und verbeugte sich formell. Der Sheriff von Nottingham war ein hochgewachsener, schlanker Mann Anfang Dreißig mit scharfen Gesichtszügen und kalten dunklen Augen. Er sah auf gefährliche Weise gut aus. Das leichte Lächeln aber, das um seine Mundwinkel spielte, entbehrte jeglicher Wärme und erst recht jeglichen Humors. Er war stets nur in die edelsten Stoffe gekleidet und trug sie mit lässiger, nur geringfügig einstudierter Eleganz.

Nottingham saß auf seinem Stuhl, als sei dieser ein Thron. Zu seinen Füßen kauerte ein halbnacktes Mädchen, dessen Schultern er gedankenverloren streichelte, während er Gisborne musterte. Das Mädchen zitterte verschreckt unter seiner Berührung, wie ein Hund, der Schläge erwartet. Der Sheriff besah sich Gisbornes ramponiertes Äußeres von oben bis unten und hob schließlich die sorgsam gepflegte Augenbraue ein wenig.

Nun, Vetter, ich hoffe, Ihr könnt dieses grobe Eindringen rechtfertigen. Ich würde Euch wirklich nicht raten, mich in meinem Vergnügen zu stören, ohne dass es sich um eine Angelegenheit von wirklich äußerster Dringlichkeit handelt. In Eurem eigenen Interesse.“

Gisborne kam gleich zur Sache. „Ich bin heute einem Mann in Pilgerkleidung begegnet.“ Dem forschenden, stechenden Blick des Sheriffs hielt er gleichmütig stand. „Er trug mir auf, Euch zu warnen, seinen Leuten nicht zu nahe zu kommen.“

Der Sheriff blickte hinab auf das Mädchen zu seinen Füßen. Sie versuchte, ihr offenes Mieder möglichst unauffällig zusammenzuziehen, um ihre Blöße zu bedecken, hielt aber ängstlich inne, als sie seinen Blick bemerkte. Sie sah zögernd zu ihm auf und begann erneut zu zittern, als er sie ansprach.

Wer hat dir gesagt, du sollst dich bedecken?“ Er sprach ganz ruhig und gelassen. Das Mädchen öffnete das Mieder mit fliegenden Händen. Der Sheriff wandte sich wieder Gisborne zu. „Also ein Pilger. Hat er auch einen Namen?“

Robin“, sagte Gisborne. „Robin von Locksley.“

Der Sheriff lächelte gelassen. „Ah, sieh da! Die Rückkehr des verlorenen Sohnes, wie? Wie dumm für ihn. Er ist nichts als ein grüner Junge, Guy. Selbst das Mädchen hier könnte es mit ihm aufnehmen.“

Einige Leute, die eine Statue hereinschleppten, lenkten ihn ab. „Stellt sie dort hin“, befahl er ihnen und zeigte auf die gegenüberliegende Wand. Dann stand er auf und ging selbst dorthin, während die Diener sich entfernten. Die Statue war ein nicht sehr ähnliches Portrait seiner selbst. Aber der Sheriff musterte sie fasziniert. Gisborne redete weiter. „Nun ja, der grüne Junge hat immerhin im Handumdrehen vier meiner Leute niedergemacht.“

Dann waren Eure Leute wohl betrunken“, antwortete der Sheriff und drehte sich etwas zu Gisborne herum. „Immerhin seid Ihr selbst, wie ich sehe, unverletzt geblieben, Vetter.“

Gisborne schoss die Zornesröte ins Gesicht, doch er war vorsichtig genug, ruhig zu bleiben. „Ich bin nur mit Mühe mit dem Leben davongekommen. Locksley hatte Gefährten. Einen dunkelhäutigen Fremdling mit der gezeichneten Haut der Ungläubigen und einen anderen, ganz vermummt bis zu den Augen. Sie erwiesen sich als tödlich vertraut mit dem Schwert.“

Der Sheriff hatte sich schon wieder abgewandt und widmete seine Aufmerksamkeit erneut dem Mädchen. Weder er noch Gisborne bemerkten, dass sie durch ein verborgenes Loch in der Wand beobachtet wurden.

Ich zweifle ja gar nicht daran, dass Ihr ein ganzes Heer gebraucht hättet, um Euch dieser drei Strolche zu erwehren“, sagte der Sheriff sarkastisch. „Verzweifelte, wild entschlossene Burschen, gut.“ Er brach ab und lächelte zynisch. „Da hat der junge Locksley inzwischen wohl auch das Haus seiner Kindheit aufgesucht und den Kamin noch rauchend vorgefunden.“

Er kicherte genüsslich in sich hinein und ignorierte den sichtbar wachsenden Unmut Gisbornes. Als ein verborgenes Glöckchen ertönte, setzte er sich rasch wieder zurecht. Es hatte nur ganz kurz geläutet, aber der Sheriff war schon auf den Füßen, ehe noch das Echo verhallt war. Er lächelte Gisborne breit an. „Zeit für die Wahrsagerin.“

Gisborne wartete, bis der Sheriff an ihm vorbei zur Tür gegangen war, dann rollte er kurz angewidert mit den Augen.

Der Sheriff schritt leichtfüßig eine lange Wendeltreppe hinab in die untersten Regionen der Burg. Am Fuß der Treppe hielt er kurz an einer massiven Holztür inne. Aus einer verborgenen Tasche seines Gewandes holte er einen schweren Messingschlüssel und drehte ihn langsam in dem gewaltigen Türschloss. Dann drückte er die Tür auf. Licht fiel auf den Korridor heraus, ein seltsam fahles, ungesundes Licht. Ohne zu zögern, trat der Sheriff hindurch.

Er stand in einem langen Raum, dessen hinteres Ende ganz in einem seltsamen Nebel verschwand. Der Boden war knöchelhoch mit Wasser bedeckt, dessen schmutzigbraune Farbe nicht gerade vertrauenerweckend war. Schmale Holzstege ermöglichten es, trockenen Fußes den Keller bis zu einem erhöhten Bereich zu durchqueren. Ein Tisch an der Seite war mit alchemistischen Gerätschaften übersät, in langen Glasphiolen und Zinnkesseln kochten alle möglichen Flüssigkeiten. Sonst gab es keine weiteren Einrichtungsgegenständen, nur das Wasser auf den Boden, durch das Ratten huschten und noch einiges andere, das man lieber nicht genau betrachtete. Es stank nach Schmutz, Abfall und ätzenden Chemikalien.

Der Sheriff räusperte sich und sprach in die dunklen Schatten. „Mortianna?“

Seltsame Laute waren die Antwort aus dem Nebel. Sie klangen unwirsch und unheimlich. Die Schatten schienen sich zu bewegen und zu wachsen, als habe allein der ausgesprochene Name bereits Macht über sie. Dann kam eine runzlige, affenartige Gestalt aus dem Dunst, mit milchweißer Haut und ebensolchem Haar, das in dem seltsamen Licht fast zu leuchten schien. Doch sie bewegte sich mit einer Leichtigkeit und Grazie, die ihre verwachsene Gestalt und ihre Jahre Lügen strafte.

Der Sheriff lächelte erfreut und sagte: „Ihr habt gerufen, My Lady?!“

Das alte Albinoweib kam vor dem Sheriff zum Stehen und grinste ihn wissend an. Ihre Haut war voller Falten und Runzeln, doch sie strahlte eine jugendliche Beweglichkeit aus. Eines ihrer Augen war blutrot, das andere milchig blind. Die Lumpen, die sie trug, waren einmal ein modisches Kleid gewesen und um den Hals trug sie eine Kette aus getrockneten Hühnerbeinen. In den Händen drehte sie ein großes Gänseei.

Die Alte huschte hinüber zum Ende des langen Tisches, zog aus dem ganzen Durcheinander einen großen Messingteller und stellte ihn auf den Boden. Der Sheriff trat nahe zu ihr. Mortianna hockte sich vor den Teller, streckte schnell die Hand mit dem Ei vor und riss es dann mit ihren langen Nägeln auf. Eine faulige Masse aus Blut und Eiweiß platschte auf die Platte vor ihr. Der Sheriff ließ die Alte nicht aus den Augen.

Sie grinste ihn an und schüttete den Inhalt eines kleinen Lederbeutels über die blutige Masse auf der Platte. Geschnitzte Holzrunen trieben nun darin herum. Sie schüttelte die Platte und beobachtete aufmerksam, welche Muster sich ergaben. Ihr Blick wurde glasig und entrückt. Der Sheriff beugte sich voller Erwartung noch weiter zu ihr und kaute vergessen auf einem Daumennagel. Er ließ Mortianna keine Sekunde aus den Augen und beobachtete sie mit der vollen Hingabe eines Eingeweihten.

Ich sehe den Sohn eines toten Mannes...“

Locksley. - Kann er uns gefährlich werden?“ fragte der Sheriff vorsichtig.

Er kommt dem Löwenherz voraus.“

Der Sheriff zog eine finstere Miene. „König Richard kehrt zurück von den Kreuzzügen? Das würde den Baronen das Rückgrat weich machen, wenn wir es am wenigsten brauchen können. Wie viel Zeit bleibt uns noch?“

Die Alte schwenkte ihre Platte, so dass die Runen in dem verdorbenen Blut herumtanzten. „Du musst dich sputen...“

Aber mein Plan kann noch funktionieren?“

Mortianna beugte sich über ihre Platte. Scheinbar aus dem Nichts fielen zwei weitere Runen darauf. Sie schwammen abseits der anderen. Mortianna heulte auf, wich zurück und schleuderte die Platte von sich. Sie krachte scheppernd zu Boden.

Was ist?“ fragte der Sheriff erregt. „Sag’ es mir!“

Ich habe unseren Tod gesehen!“ wimmerte Mortianna und sah ihn mit aufgerissenen Augen an. „Da sind zwei schwarze Dämonen! Sie erscheinen in meinen Träumen. Dunkel wie die Nacht der eine und beschrieben mit seltsamen fremden Zeichen, der andere hell wie das Licht und mit den Augen des Waldes!“

Erschrocken packte der Sheriff sie an den Schultern. „Locksleys Gefährten“, rief er aus.

Mortianna klammerte sich mit zitternden Händen an den Sheriff und kam ganz nahe an sein Gesicht. „Sie sind alle eine Bedrohung! Der Mann mit der Kapuze und seine Teufel! Töte sie! Töte sie alle!“

Sie umarmte ihn und verbarg schluchzend ihr Gesicht an seiner Brust. Er streichelte sie begütigend, sein Blick ging in die Ferne.

Weiter: Teil 8 – Zerstörte Träume