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Robin Hood - König der Diebe

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Teil 8 – Zerstörte Träume

Die Dämmerung war bereits hereingebrochen. Robin stand vor den Ruinen dessen, was einmal Locksley Castle gewesen war, und konnte kaum etwas anderes empfinden als taube Leere. Die stolze Burg war niedergebrannt und zerstört. Die hohen Türme von einst waren nur noch rußgeschwärzte hohle Stümpfe. Was einmal das Innere der Burg gewesen war, lag leer und tot da.

Er ging ein paar Schritte und blieb wieder stehen, als habe er Angst davor, das Werk der Zerstörung noch genauer zu betrachten, weil dadurch der Horror erst wirklich und unabänderlich würde. Die Burg war seit Generationen der Wohnsitz der Locksleys gewesen. Schon vor seiner Geburt hatte sie jahrhundertelang gestanden, und er hatte nie etwas anderes geglaubt, als dass sie auch seinen eigenen Tod um lange Zeit überdauern würde. Niemals hatte er die Hoffnung aufgegeben, eines Tages nach Locksley Castle zurückzukehren und dort ein sicheres und geborgenes Leben führen zu können.

Jetzt war er heimgekehrt, aber die Burg lag in Schutt und Asche, und seine Träume mit ihr.

Robin zwang sich, näher zu treten, bis zu dem ehemaligen Wohntrakt. Aseem ging schweigend umher, so wie Sayeed an seiner Seite. Er wusste, dass es hier nichts zu sagen gab, was helfen könnte. Sie stiegen über Trümmer bis in den einstigen Burghof. Die großen Pflastersteine waren zerbrochen und zerschlagen und mit Schutt von den rußgeschwärzten Mauern bedeckt. Überall waren die Spuren des Feuers zu sehen. Alles war voller Schmutz und Unrat, zwischen den zerbrochenen Steinen wucherte schon Unkraut.

Robin schluckte schwer und begann in die stumme Dunkelheit hineinzurufen. „Vater! Ich bin es, Robin! Duncan, bist du da? Vater, hörst du mich?“

Aber nur das Echo seiner eigenen Stimme hallte von den zerstörten Mauern und verlor sich in der Stille. Dann fiel sein Blick auf etwas, das sich hoch oben an der gegenüberliegenden Mauer befand. Dort hing, in den Schatten fast verborgen, in einem eisernen Käfig eine schon stark verweste Leiche. Das Gesicht war bereits nicht mehr zu erkennen, doch im Mondschein blitzte ein Kreuz um den Hals des Toten auf. Robin erkannte es auf den ersten Blick. Nur der jeweilige Lord von Locksley trug es.

Mit einem zutiefst entsetzten Schrei barg er das Gesicht an Aseems Schulter, um dem grausigen Anblick zu entgehen. Doch das Bild in seinem Kopf konnte weder das Schließen der Augen noch die strömenden Tränen vertreiben. Aseem nahm ihm in die Arme, hielt ihn fest, bis sich sein zitternder Körper beruhigt hatte. Sayeed strich ihm sanft über den Rücken.

Wer ist das?“ fragte Aseem, obwohl er die Antwort schon wusste. „Mein Vater“, antwortete Robin mit tonloser Stimme.

Und dann hörten sie im Dunkeln geisterhaft tappende Schritte, ganz in der Nähe.

Aseem ließ Robin hastig los, er und Sayeed zogen alarmiert ihre Waffen. In den Schatten war nur schwer etwas zu erkennen. Robin wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und zog ebenfalls sein Schwert. Die potentielle Gegenwart eines Feindes ließ seinen Kopf so rasch wieder klar werden, als habe man ihn mit kaltem Wasser übergossen. Jemand musste für all dies hier büßen.

Das Tappen kam näher, rhythmisch, aber nicht regelmäßig, begleitet vom Klopfen eines Stocks auf Stein. Aseem überlief ein abergläubischer Schauer, er schüttelte sich kurz.

Sie standen lauschend nebeneinander, mit gezogenen Schwertern. „Wer ist da?“ rief Robin, erhielt aber keine Antwort. Er wiederholte seine Frage noch einmal lauter.

Auf einmal steckte Sayeed ihre Waffe wieder in die Scheide. Robin sah sie fragend an, sie schüttelte knapp den Kopf. Und dann löste sich aus dem Dunkel die Gestalt eines alten Mannes in einer ärmlichen Kutte. Er stützte sich auf einen langen Stock.

Robin ließ sein Schwert sinken und starrte ihn ungläubig an. „Duncan, bist du das?“

Die Gestalt blieb wie angewurzelt stehen und schien sich etwas aufzurichten. „Master Robin? Seid Ihr es wirklich? Ein Wunder! Ich glaubte schon, Gott hätte uns ganz verlassen!“

Robin trat auf ihn zu und erschrak. Wie hager und hinfällig der alte Mann geworden war. Er hatte ihn trotz seiner Jahre als stämmigen und kräftigen Mann in Erinnerung. Wieder übermannte ihn eine Zorneswelle. Er zeigte auf den Käfig mit der Leiche, dann fasste er ihn an den Schultern und schüttelte ihn grob. „Verdammt sollst du sein, Duncan! Wie konntest du meinen Vater hier hängen lassen? Warum hast du ihn nicht abgeschnitten?“

Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Wütend schaute er sich um und sah in Sayeeds Augen. Ihr missbilligender Ausdruck kühlte seine Wut deutlich ab. „Ruhig, mein Freund, ruhig“, mahnte ihn auch Aseem sanft von der anderen Seite.

Der alte Mann sank vor Robin auf die Knie. „Verzeiht mir, mein Lord“, sagte Duncan. „Das hätte ich schon getan, wenn ich nur sehen könnte...“

Erst jetzt nahm Robin im Mondschein das Gesicht des alten Mannes richtig wahr und fuhr entsetzt zurück. Tiefe Narben überzogen Wangen und Stirn, und die Augenhöhlen waren schwarz von
getrocknetem Blut und leer.

Robin schluckte schwer. Fast wurde ihm übel. Er ließ sich auf die Knie nieder und drückte den alten Mann an sich, um sein misshandeltes Gesicht nicht mehr sehen zu müssen. Er fühlte Tränen in sich aufsteigen, doch er hielt sie wütend zurück. Jetzt war keine Zeit für Tränen.

Duncan“, sagte er schließlich und bemühte sich, seine Stimme einigermaßen beherrscht klingen zu lassen, „wer hat das getan?“

Der alte Mann wandte das Gesicht ab. „Guy … Guy von Gisborne. Und der Sheriff und seine Hexe haben zugesehen“, sagte er klagend.

Robin drehte Duncans Gesicht wieder zu sich und hielt es fest zwischen seinen Händen. „Was ist geschehen?“ fragte er drängend.

Duncans Stimme zitterte. „Es heißt, der Sheriff habe Euren Vater bei der Teufelsanbetung ertappt. Man sagt, er habe dieses Geständnis selbst vor dem Bischof unterschrieben.“

Robin sah entsetzt zu Aseem, der seinen Blick ebenso entsetzt erwiderte. Sayeeds Augen funkelten kalt im Mondlicht, sie schnaubte höhnisch.

Das ist unmöglich“, rief Robin verzweifelt.

Nottingham hat alle Locksley-Ländereien für beschlagnahmt erklärt“, berichtete Duncan weiter und senkte den Kopf.

Robin schüttelte schwer den Kopf und versuchte, alles zu begreifen. „Schenkst du den Vorwürfen Glauben, Duncan?“

Nein. Ich habe es nie geglaubt. Nicht einmal, als sie mir die Augen ausstachen.“

Robin umarmte den alten Majordomus wieder und starrte über seine Schultern hinweg in die Dunkelheit. In seinen Augen war zu viel Zorn, um noch Platz für Tränen zu lassen.


Rotgoldene Sonnenstrahlen blitzten durch das Geäst der Bäume, in dem noch der Nebel hing, tauchten die Ruinen von Locksley Castle in ein trügerisch strahlendes Licht. Ein paar Vögel stimmten ihren Morgengesang an, doch sonst war die Welt still, noch im Halbschlaf und nicht bereit, sich den Pflichten des neuen Tages zu stellen.

Robin kniete am Grab seines Vaters und starrte ins Leere. Es war kein besonders großartiges Grab. Nur ein Erdhügel mit einem groben Holzkreuz darauf, an dem die Kette mit dem Locksley-Kreuz hing. Der Lord von Locksley hätte wahrhaftig Besseres verdient. Aber vor allem hatte er nicht diesen Tod verdient.

Er hockte regungslos da. Immer wieder gingen ihm die gleichen Gedanken durch den Kopf, mit denen er nicht fertig wurde. Sein Vater war tot, die Burg lag in Schutt und Asche, seine Ländereien und sein Erbe waren eingezogen. All die Gründe, die ihn in den Verliesen Jerusalems am Leben erhalten und zur Heimkehr angespornt hatten, waren mit einem Mal in Rauch aufgegangen.

Lautlos, wie es ihre Art war, trat Sayeed hinter ihn. Robin schreckte hoch, als er ihre Hand auf seiner Schulter spürte. Unwillig runzelte er die Stirn, blickte aber nicht auf. Fast hätte er ihre Hand schroff abgeschüttelt, aber dann hielt er inne. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie neben ihm niederkniete, dann legte sie ihre Hände an seine Wangen und drehte mit sanftem Druck sein Gesicht zu sich herum. Verwundert starrte er Sayeed an. Ihre sonst grünen Augen waren fast schwarz geworden, Robin konnte in ihnen die Spiegelung seines Gesichtes erkennen. Und seltsamerweise fühlte er sich getröstet.

Einen endlos erscheinenden Augenblick verharrten sie in dieser Stellung, dann umarmte Sayeed ihn und Robin barg sein nun tränennasses Gesicht an ihrer Schulter. Tief in seinem Innern wunderte er sich über die Nähe, die sie auf einmal zuließ, aber die Trauer überdeckte jeden anderen Gedanken.

Duncan tapste auf Robin zu und tastete sich mit seinem Stock voran. Robin hörte ihn kommen und löste sich aus Sayeeds Umarmung. Hastig wischte er die Tränen von seinem Gesicht. Im letzten Moment hob er Einhalt gebietend den Arm, um den blinden Mann nicht über das Grab stolpern zu lassen. Duncan griff dankbar nach seiner Hand. Sayeed entfernte sich so lautlos wie sie gekommen war.

Er hat Euch bis zum letzten Atemzug geliebt, junger Herr“, sagte Duncan. „Habt keinen Zweifel daran. Er hat die Hoffnung niemals aufgegeben, Euch eines Tages heimkehren zu sehen.“

Robin starrte auf das roh gezimmerte Kreuz auf seines Vaters Grab und sprach mehr zu diesem als zu Duncan. „Ich hätte zuhause bleiben sollen. Er nannte die Kreuzzüge ein törichtes Streben. Er sagte, es sei ein vermessenes Unterfangen, anderen unseren Glauben aufzwingen zu wollen.“

Ihr müsst fliehen, junger Herr“, sagte Duncan nachdrücklich. „Nach Norden, dort seid Ihr sicher. Dort habt Ihr Vettern, die Euch aufnehmen werden. Hier könnt Ihr nicht bleiben. Gisborne wird sich mit Sicherheit an Euch und Eurem Gefährten rächen wollen.“

Aseem und Sayeed kamen heran und sammelten ihre wenige Habe ein. Es war Zeit zum Aufbruch.

Mag sein, Duncan“, sagte Robin langsam. Seine nächsten Worte waren aber an Aseem gerichtet: „Du solltest nach Hause gehen. In meiner Welt, Aseem, hat sich alles verkehrt. Aber es ist trotzdem noch immer meine Welt. Doch dies hier ist nicht dein Kampf.“

Aseem seufzte und blickte ihm ernst an. „Wenn ich dich allein lasse, Christ, wirst du nur umkommen. Und Sayeed ebenso. Außerdem habe ich kein Zuhause mehr, zu dem ich zurückkehren könnte.“

Robin wandte kurz die Augen ab. Als er ihn wieder ansah, erblickte jeder in des anderen Augen Verlust und Leid. Sayeed hatte Aseem die Hand auf den Rücken gelegt, als wolle sie ihn stützen. Robin nickte langsam, als habe er nichts anderes erwartet, und starrte wieder auf den Grabhügel vor sich.

Gisbornes Name hatte ihm die Antwort gegeben, nach der er gesucht hatte. Wenn alles andere nicht half, blieb immer noch die Rache. Er zog sein Messer und hielt es vor sich. Die frühe Morgensonne färbte die Klinge blutrot. Hassrot. Er schnitt sich in die Handfläche, erhob sich und ließ die Blutstropfen auf das frische Grab fallen. „Vater“, sprach er laut, „hiermit schwöre ich dir, dass ich nicht eher ruhen werde, als bis du gerächt bist. ich schwöre es bei meiner Ehre und meinem Blut.“ Er drückte die Lippen zur Bekräftigung auf seine blutige Faust.

Aseem hatte erschrocken einen Schritt auf ihn zu gemacht, als er Robin das Messer hatte ziehen sehen, doch Sayeed legte ihm die Hand auf den Arm und hielt ihn zurück. Nun verharrte er schweigend, als er erkannte, dass keine Gefahr drohte. Robin richtete sich ganz auf und blickte von einem zur anderen, dann nahm er die Kette von dem Holzkreuz und hängte sie sich um. Sayeed trat zu ihm, Stoffstreifen in der Hand, die sie irgendwoher gezaubert hatte. Sie sah Robin an, aber er wusste schon, was sie wollte. Mit einen kleinen, traurigen Lächeln hielt er ihr seine verletzte Hand hin. Sie erwiderte sein Lächeln und strich kurz über seinen Handrücken. Dann machte sie sich an die Arbeit.

Schließlich schulterten alle stumm ihre Bündel und machten sich auf den Weg. Wenn sie sich beeilten, würden sie Peters Elternhaus noch vor Mittag erreichen. Robin führte Duncan an dessen Blindenstab hinter sich her.

Weiter: Teil 9 – Auf dem Weg