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Teil 1 - Jerusalem Die Dunkelheit brach über die Wüste herein, die sinkende Sonne färbte in einem letzten Aufbäumen den Himmel blutrot. Nacht senkte sich allmählich über Jerusalem und das umgebende Land. Doch noch brannte der tiefstehende rote Sonnenball auf die von mächtigen Mauern umgebene Stadt. Vom Turm eines Minaretts blickte eine schwarz gekleidete Gestalt auf diese Sonne und hob dann die Stimme zu dem singenden moslemischen Gebetsruf. In der ganzen Stadt wurden Lampen entzündet und Menschen hasteten durch die engen Straßen. Jerusalem, im Jahre des Herrn 1196, im vierten Jahr nach dem dritten Kreuzzug. Eine arabische Stadt. Kein guter Ort für einen Christen. Und ein noch schlechterer für einen gefangenen Christen. In den Verliesen unter der Stadt herrschte ewiges Zwielicht. Die Gefangenen dort verbrachten ihre Tage angekettet an den Wänden der labyrinthischen Gänge und erbärmlichen Zellen, die nur spärlich von Pechfackeln erleuchtet wurden. Auch die Wachen trugen Fackeln bei ihren unregelmäßigen Kontrollgängen. Doch weil ihr Erscheinen nur zu oft den Gang zum Verhör oder gleich zum Scharfrichter bedeutete, lernten die Menschen dort unten, dieses Licht zu fürchten und duckten sich tief in den Schatten, wann immer in den Korridoren ein Lichtschein auftauchte. Nur in einem Teil der Verliese gab es immer Licht: in der Folterkammer des Inquisitors. Die Folterkammer war ein feuchter, bedrückender Ort. Die niedrige Decke war rauchgeschwärzt von dem riesigen eisernen Feuerbecken am anderen Ende, neben dem lange Spieße standen, stählerne Piken mit Widerhaken und im Widerschein der Glut blinkende Klingen, alle bereit, jederzeit verwendet zu werden. Es war drückend heiß in dem Raum; von den unebenen Steinwänden lief Kondenswasser herunter. Ratten huschten auf dem Boden umher. Sie hielten in der Regel sichere Distanz zu den Gefangenen, doch es kam schon vor, dass die eine oder andere an einem Fuß oder einem Knöchel, der sich eine Weile nicht bewegt hatte, zu nagen begann. Die Gefangenen saßen teilnahmslos nebeneinander auf dem nackten Steinboden, die Köpfe so weit gesenkt, wie die Ketten ihrer Halseisen das zuließen. Für sie war die Zeit des Flehens und Bettelns schon lange vorbei. Was immer sie sagten, bewertete der Inquisitor nach eigenem Gutdünken. Sie waren nichts weiter als der letzte, niedrigste Abschaum. Halsabschneider und kleine Kriminelle, Politiker mit mächtigen Feinden. Oder sie waren einfach nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Platz gewesen oder hatten den falschen Gott angebetet. Hier nun waren alle gleich vor dem Inquisitor. Unter den ungefähr zwanzig dunkelhäutigen Gestalten stachen einige blasse Gesichter im flackernden Lichtschein hervor. Weiße. Ungläubige. Die Verhasstesten und Verachtetsten überhaupt. Ihre Kleider waren nur noch Fetzen, und ihre Haut zeigte den Schmutz und die ungesunde Farbe langer Kerkerhaft. Unter ihnen fielen zwei auf durch die Art, wie sie sich trotz der ständigen Unterernährung und der Folter hielten. Etwas, das an anderem Ort und zu anderer Zeit durchaus so etwas wie Adel hätte sein können. Robin von Locksley und Peter Dubois waren mit dem ruhmreichen Ziel, das Heilige Land für die Christenheit zurückzuerobern, in den Orient gekommen. Doch am Ende hatte auch sie, wie viele andere, ihr Glück verlassen. Vierundzwanzig Engländer waren an jenem Tag in Gefangenschaft geraten. Man hatte sie in Ketten durch die Straßen Jerusalems getrieben. Der Mob hatte geschrien und sie verhöhnt, auf sie eingeschlagen und sie mit Steinen beworfen. Sieben von ihnen hatten die Verliese unter der Stadt nicht mehr erreicht. In der Hölle der folgenden Wochen und Monate fragten sich die immer weniger werdenden Überlebenden, ob diese Sieben am Ende nicht die Glücklicheren gewesen waren. Mehr als fünf Jahre waren darüber schon vergangen, und ihre Landsleute waren dahingestorben, einer nach dem anderen. Nur sechs hatten bis jetzt überlebt, unter ihnen Robin von Locksley und Peter Dubois. Ihr Leiden und ihre Verzweiflung hatten sie gebeugt, aber nicht gebrochen. So wie Stahl durch Glut und Hammerschläge nur noch härter wird, wurden auch sie immer härter und entschlossener und warteten auf eine Gelegenheit zur Flucht. Und selbst wenn diese nicht kommen mochte, dann vielleicht eine Chance, sich für das, was ihnen und ihren Landsleuten angetan worden war, zu rächen. Robin von Locksley war groß und sehnig, und sein Gesichtsausdruck spiegelte die grimmige Entschlossenheit wider, sich nicht unterkriegen zu lassen. Er wäre ein gutaussehender Mann gewesen, hätte nicht der ständig nagende Hunger seine Gesichtszüge ausgezehrt und seit langem schon jede Sanftheit aus ihnen vertrieben. Reglos saß er da, ohne den Inquisitor auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Robin hoffte immer noch auf die Chance, dass er einmal unvorsichtig oder allzu sorglos wurde und ihm nur den einen Schritt zu nahe kam, der genügte, um das zu tun, was er sich seit ungezählten Tagen und Nächten vorgestellt hatte. Die Wachen würden ihn selbstverständlich auf der Stelle töten. Aber das war es wert. Natürlich würde die Gelegenheit nie kommen. Der Inquisitor war viel zu professionell, um sich einen derart sträflichen Fehler zu erlauben. Robin seufzte lautlos und schloss die Augen. Er sah England vor sich. Die weiten offenen Felder und die endlosen Wälder. Manchmal schien es ihm, als wäre dieses England niemals etwas anderes als ein Traum gewesen, als hätte er niemals etwas anderes erlebt als Hitze und endlose Leiden. Trotzdem war er nicht bereit, seine Erinnerungen daran aufzugeben. Sie gaben ihm Kraft und den Willen durchzuhalten. Peter hustete heiser neben ihm. Robin sah ihn besorgt an. Unter dem Schmutz und seinen Fetzen am Leib war Peter kaum noch mehr als Haut und Knochen, aufrechterhalten allein von dem Hass auf seine Peiniger und der hartnäckigen Weigerung zu sterben. Peter war ein Hüne von Mann gewesen, Soldat und Abenteurer, der gleichermaßen wild kämpfen und lachen und lieben konnte. Aber davon war nur wenig übrig geblieben in diesem lebenden Skelett hier an seiner Seite. Nur manchmal blitzte noch der alte Geist in Peters Augen auf. Robin sah weg. Wut und Verzweiflung drohten ihn zu übermannen. Sein Blick fiel auf einen breitschultrigen Mauren, der ihm gegenüber an die Wand gefesselt war, mit Stricken, nicht mit Ketten. Er war sehr muskulös, ein Zeichen, dass er noch nicht viel Zeit in diesem Kerker zugebracht hatte. in seinen Augen brannte eine Intelligenz und eine wilde, stoische Entschlossenheit, die Robin beeindruckend fand. Er richtete sich etwas auf und suchte den Blick des Mauren. Sie starrten einander an, ohne ein Wort zu sagen. Es gab nichts zu reden. Was sie beide hierher gebracht hatte, war längst bedeutungslos, und was die Zukunft für sie bereithielt, war ihnen ebenfalls klar. Dann fasste Robins Blick auch die Gestalt, die halb hinter dem Mauren verborgen am Boden lag. Er konnte sich noch gut an die stolze, strahlende Frau erinnern, die dieses leblose Bündel gewesen war. Als sie, schwer in Ketten gefesselt, in das Verlies geführt wurde, war es, als fiele ein sanfter Lichtstrahl in diese Welt des Zwielichts. Ihre dunkle Robe stand in schroffem Gegensatz zu ihrer hellen Haut und den so gar nicht orientalisch wirkenden Gesichtszügen. Sie hatte mandelförmige, leicht schräg gestellte Augen, deren Farbe in dem im Verlies herrschenden Halbdunkel nicht auszumachen war. Aber sie waren nicht schwarz wie die der Mauren. Sie musterte Peter und vor allem Robin mehrmals intensiv. Wenn sie ihn direkt ansah, überlief ein Schaudern ihn. Ihre Augen schienen seltsam zu flirren und ihr Blick war leuchtend und schneidend, als wolle sie damit bis in sein Innerstes vordringen. Robin und Peter erlebten mit Erstaunen, dass sich viele der Gefangenen ehrfurchtsvoll vor ihr verneigten. Sie steckten ihr die besten Bissen zu, wenn es etwas zu essen gab, und sie unterhielt sie mit Geschichten und Liedern, sprach ihnen immer wieder zu - in einem Dialekt, den Robin und Peter nicht verstanden, aber sie hatten ihre Freude einfach am Klang ihrer Stimme. Die Wachen und Folterknechte wagten es nicht, sie anzurühren. Bis zu dem Tag, als der Inquisitor sie holen ließ. Robin schloss die Augen, als er sich an diesen, noch nicht lange zurückliegenden Tag erinnerte. Er spürte, dass seine Nackenhaare sich aufrichteten. Noch immer konnte er die Schreie hören, die man durch alle Mauern dieses verfluchten Ortes zu hören schien, obwohl die Wände so dick waren, dass eigentlich kein Laut sie durchdrang. Als man die Frau zurück brachte, fiel sie wie eine zerbrochene Puppe neben den Mauren, die Kleidung zerfetzt, so dass man die schrecklichen Wunden erkennen konnte, die die Folterknechte ihr zugefügt hatten. Robin bemerkte entsetzt, dass man ihr auch noch den Kopf geschoren hatte, als sei dies das letzte Zeichen ihrer vollkommenen Unterwerfung. Aber sie lebte noch - irgendwie. Die Folterknechte machten sich nicht einmal die Mühe, sie wieder anzuketten. Und das war auch nicht nötig. Sie blieb leblos. Doch sie starb nicht. Der Maure neben ihr machte sich zu ihrem Beschützer. Er versorgte ihre Wunden, so gut es unter diesen Umständen möglich war, flößte ihr Wasser ein und schützte sie vor den Übergriffen der anderen Gefangenen. Denn nach ihrer Rückkehr hätten viele, die sie vorher fast wie eine Göttin angebetet hatten, nun mit dem seelenlosen Körper noch gerne ihr Vergnügen gehabt. Robin schüttelte sich vor Abscheu.
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