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Teil 18 -Robin undercover
Ein strahlendblauer Himmel lag über der Stadt Nottingham, doch der böige Wind war eisig, ein Vorbote des nahenden Herbstes. Fröstelnd zogen die Menschen ihre Mäntel enger um sich. Der Winter würde früh kommen dieses Jahr, murmelte der eine oder andere in düsterer Vorahnung. Eine einzelne Gestalt in einem zerlumpten Umhang und mit weit über den Kopf gezogener Kapuze kämpfte sich gegen den Wind voran. Sie tappte mit einem Stock wie blind die lange Straße entlang, rutschte immer wieder aus und mühte sich durch den Schlamm, den Kopf tief gesenkt. Niemand, dem man besondere Aufmerksamkeit schenken würde. Irgendein Bettler, der sich in die Stadt schleppte, um bei der Sonntagsmesse um Almosen zu betteln. Der Mann unter der Kapuze zog seine Kutte enger um sich, als er den Blick zu der vor ihm liegenden Stadt hob. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er die Glocken der Kathedrale über das Land läuten hörte, um die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Robin senkte wieder den Kopf und ging erneut mit den unsicheren Schritten des Blinden auf die Kirche zu. Er musste sich beeilen, die Messe begann schon. Robin seufzte lautlos. Er hatte nicht sofort heute morgen nach diesem leidlichen Zwischenfall aufbrechen können, wie er es geplant hatte. Zuerst hatte er Little John und den anderen Geächteten Sayeeds plötzliches Erscheinen erklären müssen. Er konnte geradezu sehen, was sie dachten. Noch ein Maure, und noch dazu eine Frau! Und keiner hatte bemerkt, dass sie bei ihnen war. Bedrohliches Gemurmel entstand unter den Waldmännern. Wieso hatte niemand von ihnen sich daran erinnert, dass sie am Fluss noch bei Robin gewesen war? Robin brach der kalte Schweiß aus, als das Wort „Zauberei“ aufklang. Von diesem Wort war es nicht mehr weit bis zur Hexerei. Sayeeds Schweigsamkeit trug auch nicht dazu bei, ihr Misstrauen zu zerstreuen. Gott sei Dank war dieser verdammte Junge, Will Scarlet, immer noch nicht wieder erschienen. Robin war sich sicher, dass dieser die feindliche Stimmung der Waldleute noch weiter angeheizt hätte. Schließlich gelang es ihm, Little John von Sayeeds „Harmlosigkeit“ zu überzeugen. Der war auch eher wütend über die Unruhe, die sie durch den nächtlichen Vorfall in die Gruppe gebracht hatte, und beunruhigt von dem Gedanken, was ihre Anwesenheit unter den Männern bewirken würde. Doch dass sie sich behaupten konnte, hatte Sayeed ja schon bewiesen. Und als John sie in die Gemeinschaft aufnahm, verstummte das Gemurmel der Geächteten. Obwohl in manchen Gesichtern noch der Argwohn stand. Aber John wagte niemand zu widersprechen. Robin schüttelte kurz den Kopf. Das Problem war für den Augenblick gelöst, und er hatte jetzt Wichtigeres zu tun. Als er die Kirche betrat, war die Messe schon in vollem Gange. Er suchte sich einen Platz am Rand der wartenden Menge der Bedürftigen. Sie drängten sich dicht an dicht im hintersten, dunkelsten Bereich der Kathedrale. Hier würde ihn niemand bemerken. Das hier waren die Niedrigsten der Niedrigen, geflissentlich ignoriert von den hohen Herrschaften auf den Kirchenbänken weiter vorne. Robin schaute sich in aller Ruhe um, an eine der Halbsäulen der Wand hinter ihm gelehnt. Die Sonnenstrahlen fielen durch die wundervollen Glasfenster und gaben der riesigen halbdunklen Kathedrale all ihr Licht und ihre Farbe. Ihre Erbauer hatten vor allem ein eindrucksvolles Werk zum Ruhme Gottes schaffen wollen und daher praktisch auf alles verzichtet, was nicht diesem Zweck diente, einschließlich der Bequemlichkeit. Die Bänke waren gefüllt mit Gläubigen. Der Bischof blickte von der Kanzel wohlgefällig auf sie herab; es waren vorwiegend Edle in eleganten, feinen Kleidern. Die Messe war immerhin ein wichtiges Ereignis der Gemeinde und nicht zuletzt eine Gelegenheit, zu sehen und gesehen zu werden sowie den neuesten Klatsch auszutauschen. Der Bischof beugte sich vor und ließ seine Hand lässig auf dem liebevoll polierten Holz der Kanzelbrüstung ruhen. Es war ein exzellentes Stück Handwerksarbeit. Er hatte es selbst ausgesucht. Zusammen mit seinem prächtigen hermelinbesetzten Messgewand war dies wirklich ein würdiger Rahmen für ihn als Bischof. Er hob den Blick zum Himmel und setzte sein Gebet fort. Die scharrenden Füße der weniger gottergebenen Schäfchen seiner Herde ignorierte er. „Wir erflehen Deinen Segen herab, o Herr“, betete er laut, „auf all unser Volk, ganz besonders unseren edlen Sheriff, den Lord Nottingham. Verleihe ihm die Weisheit, unsere ruhmreiche Stadt allzeit zu führen und zu beschützen...“ Der Sheriff selbst rutschte gelangweilt auf seiner Bank hin und her. Gisborne an seiner Seite verdrehte die Augen. Soweit es Gisborne betraf, mochte es zwar seine gesellschaftliche Pflicht sein, an der Messe teilzunehmen, aber niemand konnte verlangen, dass er auch noch mit Spaß bei der Sache war. Der Sheriff ließ seinen Blick über die versammelte Gemeinde schweifen und hielt inne, als er Marian Dubois erkannte. Er beugte sich etwas vor und lächelte ihr zu. Wirklich eine schöne Frau. Marian bemerkte seinen Blick und stieß ihre Zofe Sarah an, die neben ihr saß, so dass diese sich aufrichtete und Marian sich hinter ihr verstecken konnte. Dem Sheriff war ihr kleines Manöver nicht entgangen. Ein wenig störrisch und eigensinnig vielleicht, dachte er leicht verärgert. Bisher hatte sie eine Ausrede nach der anderen gefunden, um ihn auf Distanz zu halten. Aber er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie ihm am Ende nicht widerstehen würde. Es gab niemanden, der ihm am Ende widerstehen konnte. Er hatte Geld und Einfluss, Macht, und zögerte auch nicht, sich all dem nach Bedarf zu bedienen. Was Marian anging, so wollte er sie haben seit dem Augenblick an, da er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Und am Ende würde er sie auch bekommen, ganz gleich, wie sie sich drehte und wand. Vorläufig fand er noch Gefallen an der bloßen Jagd auf sie. Ein wenig Vorfreude war immer gut für den Appetit. Der Sheriff seufzte ein wenig, lehnte sich in seiner Bank zurück und hörte mangels besserer Abwechslung dem Bischof zu. „Verleihe ihm auch die Kraft, der Gerechtigkeit gegen jene Gesetzlosen zum Durchbruch zu verhelfen, welche Nottinghams Sicherheit und Gedeihen bedrohen...“ Unter den Armen und Leidenden ganz hinten in der Kathedrale, die den Gottesdienst und die Predigt hauptsächlich deshalb erduldeten, weil sie auf die Gelegenheit warteten, die Reichen und Edlen im Anschluss an die Messe um Almosen zu bitten, entstand Unruhe. Sie wussten, dass die Predigt sich dem Ende näherte und drängelten und schoben, um sich die besten Plätze zu sichern. Denn die Almosen saßen schon lange nicht mehr so locker wie früher. Nur wer in der vordersten Reihe stand, hatte überhaupt Aussicht, etwas zu ergattern. Der Bischof brachte den Gottesdienst eilig zu Ende. Die Gemeinde erhob sich, das Gemurmel allgemeiner Unterhaltung setzte ein, während man gemächlich die Kathedrale verließ. Die Armen drängten sich zu beiden Seiten mit ausgestreckten Händen und flehenden Blicken. Sie bettelten mit brüchigen Stimmen um Brot und um Geld. Doch die edlen Herrschaften drängten sich hastig an ihnen vorüber, mit abgewandten Gesichtern, die den Abscheu nicht verbergen konnten. Marian drückte Sarah ihre Börse in die Hände mit der Bitte, alles zu verteilen. Sie brachte jeden Sonntag alles, was sie entbehren konnte, zur Messe mit, und oft auch noch ein wenig mehr, aber nie war es genug. Jede Woche waren es mehr bittende Hände, mehr hungrige Kinder. Nur zu bald war der Tag abzusehen, da sie nichts mehr besaß, was sie spenden konnte. Wer gab ihnen dann zu essen? Sie lächelte bitter, als sie sich erinnerte, dass sie eben dies erst gestern noch zu Robin von Locksley gesagt hatte. Und sie hatte keine Antwort darauf gewusst, so wenig wie jetzt. Unauffällig löste sie sich aus der Menge und trat in eine Seitennische, wo Dutzende von Gebetskerzen brannten. Von ihr unbemerkt, löste sich ein Mann aus der Menge der Bettelnden und folgte ihr. Marian kniete auf der schmalen Bank vor dem Gnadenbild nieder, zündete mit einem Fidibus eine Kerze an und schloss die Augen zu einem stillen Gebet. Dann aber rümpfte sie die Nase, als ein furchtbarer Geruch ihr in dieselbe stieg. Mit einem Laut des Abscheus hielt sie sich die Hand davor. Sie wollte schon etwas sagen, verstummte aber, als sie die Stimme erkannte, die nun erklang. „Almosen für einen Blinden“, sagte Robin leise. „Für einen, der Eure Schönheit nicht sehen kann.“ Völlig überrascht starrte sie ihn an. „Was machst du hier?“, fragte sie entsetzt, aber leise. „Ich suche meinen wahren Glauben“, erwiderte Robin mit einem ironischen Unterton und lächelte. Marian sah sich rasch um, ob jemand auf die seltsame Szene aufmerksam geworden war. Aber niemand blickte zu ihnen herüber, der Sheriff war in einiger Entfernung in ein Gespräch mit einer Gruppe Adeliger vertieft. Dann schaute sie Robin wieder an. Ihr Mund war schmal, ihre Augen funkelten. „Ich wünsche nicht mit einem Gesetzlosen gesehen zu werden.“ „Wäre dir die Gesellschaft des Sheriffs lieber?“, fragte er mit einem Seitenblick zu eben diesem. Marian reagierte nicht auf seine Provokation. „Auf deinen Kopf ist ein Preis ausgesetzt“, flüsterte sie hastig. „Ach, wirklich?“ fragte Robin neugierig. „Wie viel denn?“ „Hundert Goldstücke!“ „Nicht mehr? Da muss ich den Sheriff wohl noch mehr ärgern. Ich bin mindestens tausend wert!“ Marian hätte fast gelächelt, machte aber rasch eine Stichelei daraus. „Für tausend Goldstücke würde ich selbst dich ausliefern.“ Robin sah sie mit gerunzelter Stirn an. Einen Moment war er sich nicht sicher, ob sie das ernst meinte. Dann entschied er sich, es als Scherz aufzufassen. Marian warf einen nervösen Blick auf den Sheriff. Sie beugte sich näher zu Robin hin und senkte ihre Stimme zu einem leisen Murmeln. „Der Sheriff stellt eine Armee auf. Sämtliche Schmiede der ganzen Grafschaft müssen auf seiner Burg Schwerter und Rüstungen anfertigen.“ Robin blickte seinerseits hinüber zum Sheriff inmitten seiner bewaffneten Wächter und beflissenen Speichellecker. Marian wurde unbehaglich zumute, als sie den glühenden Hass in seinem Blick erkannte. Es war, als sei der freundliche, sie gleichzeitig so beunruhigende Robin, den sie gestern kennengelernt hatte, von einem kalten, unbarmherzigen Krieger verdrängt worden. Als Robin sie wieder ansah, hatte sie alle Mühe, nicht die Augen niederzuschlagen. „Was plant er?“, fragte er nachdenklich. „Ich weiß es nicht“, sagte sie rasch. „Aber ich habe immer schon gewusst, dass der Ehrgeiz dieses Mannes keine Grenzen kennt.“ Wieder blickte sie hastig um sich. „Und nun geh, Robin!“ Robins Blick wurde wieder sanfter, als er Marian nun in die Augen sah. „Ich danke dir, Marian.“ Etwas zwischen ihnen entstand in diesem Augenblick. Doch dann sah Marian den Sheriff näherkommen, und der Augenblick war vorüber. „Er kommt her“, murmelte sie rasch. „Geh jetzt.“ Robin wandte sich schon ab, da setzte sie noch hinzu: „ Und, Robin, tu’ mir einen Gefallen.“ Robin drehte sich um und sah sie fragend an. „Jeden“, sagte er. „Nimm ein Bad!“ Robin verbeugte sich spöttisch lächelnd, dann zog er sich die Kapuze ins Gesicht und verschwand durch eine Seitentür. Marian nahm sich zusammen und wandte sich dem Sheriff zu.
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